Erst mit der Ankündigung von Dragon Quest XI schien Square Enix sich erneut auf die Qualitäten des achten Teils zu besinnen. Nach dem lange herbeigesehnten Release auf der PlayStation 4 (und nur in Japan in einer grafisch abgespeckten Fassung, dem 3DS) bekommt jetzt Nintendos Switch eine maßgeschneiderte Umsetzung. Grund genug für uns, das Epos genauer unter die Lupe zu nehmen und die Versionen ein wenig zu vergleichen.
Die Geschichte von Dragon Quest XI spielt in der Fantasy-Welt Erdria. Der (wie immer stumme) Protagonist des Spiels findet heraus, dass er der wiedergeborene Lichtbringer ist. Sein Schicksal ist es demnach, wie bei seinem Vorgänger vor Jahrhunderten, die Dunkelheit zu besiegen. Dumm nur, dass nicht jeder der Prophezeiung um den Lichtbringer Glauben schenkt. In der Tat machen es sich die Häscher des Königs von Heliodor zur Aufgabe, ihn als Unglücksbringer zu beseitigen. Unbeirrt davon macht sich unser Held auf eine Reise um die ganze Welt, um die Wahrheit seiner Bestimmung zu finden und dem Bösen den Garaus zu machen.
Das ist nur eine sehr kurze Zusammenfassung der grundlegenden Story. Die Handlung hat zahlreiche Irrungen und Wendungen, und weiß einen ein ums andere Mal zu überraschen. Mehr als einmal hat man als Spieler das Gefühl, auf das große Finale zuzusteuern, nur um anschließend nochmal mit zig weiteren Stunden Spielzeit verblüfft zu werden.
Spielerisch entspricht Dragon Quest XI weitestgehend den Klassikern der Serie, implementiert in ein überwältigendes technisches Gewand. Nach den etwas experimentelleren neunten und zehnten Inkarnationen ist dies ein klarer Schritt back to the roots. Und das ist gut so, war doch Dragon Quest generell meist eher eine klassischere Reihe, vor allem verglichen mit dem Hauptkonkurrenten Final Fantasy, die heute kaum noch Ähnlichkeit mit seinen Ursprüngen hat.
Eine groß
Auf der Oberwelt und in Dungeons treiben sich allerhand lustig gestaltete Monster herum. Wie gewohnt zeichnet hier Dragonball-Schöpfer Akira Toriyama für die abgefahrenen Designs verantwortlich. Die Kreaturen sind jederzeit sichtbar, Zufallskämpfe gibt es also nicht. Wohl ist aber die genaue Zusammensetzung der Feindesschar eine Überraschung, denn man sieht nur einen Stellvertreter. Wenn dann in den Kampfbildschirm umgeblendet wird, mag es statt des einen vorher gesehenen Schleims vielleicht gleich drei Artgenossen und ein anderes Monster zu bekämpfen geben.
Natürlich gibt es RPG-typische Levelaufstiege. Beim Aufstieg verdient man sich Talentpunkte, die wiederum in einer Art Skill-Tree je nach Charakter in verschiedene Fähigkeiten oder Attribute investiert werden dürfen.
Kommen wir zur Technik. Hier ist auch ein Vergleich der aktuellen Switch-Version zur PlayStation-4-Fassung angebracht, denn es existieren einige Unterschiede. Kern des Spiels ist der 3D Modus. Hier wird eine große, offene Welt in detailreicher Echtzeit-3D-Grafik präsentiert. Anders als bspw. in Skyrim gibt es zwar klare Schnitte, wenn man neue Areale betritt, die Welt ist also nicht wirklich komplett aus einem Guss ... aber die Landschaften sind weitläufig und herrlich anzusehen.
Im direkten Vergleich musste hier auf der Switch verglichen mit der PS4 klare Einschnitte gemacht werden. Die Grafik sieht zwar immer noch sehr gut aus und gleicht der Sony-Variante auf den ersten Blick, bei näherer Betrachtung aber werden Unterschiede offenbar. Die 3D Konstrukte wurden in ihrer Polygonzahl vereinfacht und manches wirkt dadurch kantiger. Viele Echtzeit-Lichteffekte fehlen oder sind reduziert worden. Deutlich weniger Gräser und Sträucher schmücken die Natur. Texturen sind oft niedriger aufgelöst. Und Details wie diese, oder auch NPCs und Effekte bauen sich deutlich später auf und tauchen daher in Sichtweite aus dem Nichts auf. In der Bewegung kann das sehr auffällig sein. Außerdem wurde die Auflösung im Docked-Modus auf nur 720p reduziert, portabel spielt man noch niedriger aufgelöst.
Aber: eine 1:1 Umsetzung war hier nie eine realistische Erwartung. Selbst die Standard-PS4 hat mit diesem Spiel auf Basis der Unreal Engine 4 zu kämpfen und erreicht keine nativen 1080p, sondern nur 900. Im Angesicht dessen stellt sich diese Umsetzung als kleines Wunder heraus. Denn die Einschnitte sind so sorgfältig abgewägt, dass sie vielen Spielern kaum auffallen werden. Anders als bei manch anderem Port eines großen« Games hat man es hier auch nicht mit einem verschwommenen Bild auf der Switch zu tun. Zwar mag es nicht ganz so knackscharf sein wie auf der PS4, aber immer noch weit klarer als bei Doom oder The Witcher 3. Vor allem, wenn man im Handheld-Modus spielt wirkt Dragon Quest XI S wunderschön. Zum Vergleich finden sich zwei Bilder identischer Szenen beider Konsolen in unserer Galerie.
Von den grafischen Einschränkungen abgesehen ist die Switch-Version in vielerlei Hinsicht sogar verbessert worden. Allem voran ist hier die Musik zu erwähnen. Auf der PS4 wurde eine sehr gute Chipmusik geboten. Da gab es bereits im Vorfeld viel Gezeter, hoffte man doch wie bei Teil 8 auf eine orchestrale Option für die westliche Fassung gehofft, aber das Ergebnis war nichtsdestotrotz gut. Auf der Switch darf man jetzt tatsächlich orchestrale Arrangements der Tracks genießen; und wer die Chip-Musik vorzieht, dem steht optional der PS4-Soundtrack weiterhin zur Verfügung.
Retro-Fans freuen sich zudem über die Integration des 2D-Modus. Dieser war bislang den 3DS-Spielern vorbehalten geblieben. Square Enix hat tatsächlich das komplette Dragon Quest XI drei Mal entwickelt: Im aufwändigen 3D, in einer schlichteren 3D Variante (3DS only), und in Pixeloptik im 16-Bit-Stil. Während der einfachere Polygon-Stil der 3DS-Fassung leider nicht umgesetzt wurde, macht doch der Pixel-Modus Dragon Quest XI S selbst für Veteranen der PS4-Fassung erneut zu einem neuen Erlebnis. Hier wird sehr akkurat de Optik auf Niveau eines Dragon Quest VI oder Dragon Quest III Remake auf dem SNES nachgeahmt; ergänzt um den Vorzug der Widescreen Optik. Dabei entspricht der 2D-Modus nicht 100% dem 3D-Pendant. Es ist vermutlich einfach den begrenzten Möglichkeiten auf einer zweidimensionalen Karte aus der Vogelperspektive geschuldet, dass sich das Map-Layout teilweise unterscheidet. Wege von Ort zu Ort erscheinen zudem kürzer, weil hier ganz klassisch in einer verkleinerten Oberwelt von Handlungsort zu Handlungsort marschiert wird anstatt die gesamte Spielwelt wie in 3D im Maßstab 1:1 zu replizieren. Etwas unschön wirken nur die Textboxen, die im pixeligen 2D Modus mit ihren hochauflösenden Buchstaben die Retro-Illusion stören, und dass es keinen SNES-mäßigen Soundtrack gibt. Insgesamt dennoch ein Feature, welches den Wiederspielwert deutlich erhöht.
Aber Achtung: Anders als in manchen modernen Remakes und Remastes, welche einem auf Knopfdruck jederzeit den Wechsel zwischen Retro und moderner Grafik ermöglichen ist dies bei Dragon Quest eingeschränkter. Man kann nur in der Kirche, und nur zu bestimmten Zeitpunkten in den Modus wechseln. Hat man eventuell schon einiges im aktuellen Abschnitt erledigt und möchte in 2D weiterzocken, so muss man am Anfang des aktuellen Kapitels wieder neu starten. Auch das ist wahrscheinlich den spielerischen Unterschieden zwischen beiden Modi geschuldet; ein fließender Übergang zu jeder Zeit wäre hier unmöglich. Leider schränkt das die Motivation häufiger zu wechseln aber ebenso gehörig ein.
Weitere Vorzüge der Switch-Fassung: Die Ladezeiten sind ein gutes Stück kürzer als auf der PS4. Zudem gibt es Komfortfunktionen wie das Überspringen von Zwischensequenzen oder das Beschleunigen der Kampfgeschwindigkeit. Wer partout nichts mit englischer Sprachausgabe anfangen kann, der darf ebenfalls auf japanisch umschalten. In der Tat ist das dann aber nicht der von Verfechtern fernöstlicher Sprecher viel beschworene »O-Ton«, denn Dragon Quest XI erschien in Nippon ursprünglich völlig ohne Voice Overs. Erst für die westliche PS4-Fassung wurden überhaupt Sprecher engagiert, und jetzt für den Switch-Port erstmals auch japanische. Auf deutsche Synchronisation muss allerdings verzichtet werden. Zudem sind nur Cutscenes derart vertont. Plaudereien in Städten oder mit Freunden am Lagerfeuer bleiben stumm.
Auch inhaltlich gibt es einige Erweiterungen. Ein paar neue Szenen beleuchten die Charaktere etwas näher und dürften noch einige Spielstunden zum Mammutwerk hinzufügen.
Besonderes Lob verdient erneut die deutsche Lokalisation. Keine andere Rollenspielreihe profitiert so sehr von einer liebevoll-lustigen Übersetzung wie Dragon Quest, und der elfte Teil bildet hier keine Ausnahme. Sämtliche Dialoge und Namen sind sorgfältig eingedeutscht und erfreuen mit pfiffigen Wortspielen und jeder Menge Charme.
Dragon Quest XI S ist die beste Verschmelzung geliebter und heutzutage oft vergessener JRPG-Konventionen, mit modernen Features und unvergleichlichem Umfang. Hier wird das Genre zelebriert, wie nirgendwo anders.
Ich habe Dragon Quest XI bereits auf der PS4 durchgespielt. Und jetzt auf der Switch macht es dank all der Neuerungen erneut großen Spaß. Das Genre der JRPGs wandelte sich stark, und manch einer mag die Klassiker für zu veraltet halten, um heute noch zu funktionieren. Dieses Meisterwerk zeigt jedoch, wie man die liebgewonnen, klassischen Aspekte perfekt in ein moderndes Spiel übertragen und der gesamten Konkurrenz ein Schnippchen schlagen kann. Die Grafik ist etwas schwächer, aber selbst für Besitzer der PS4-Fassung kann sich die Switch-Version dank der Updates lohnen! Ein nahezu perfektes JRPG. Uneingeschränkt empfehlenswert!