The 11th Hour (PC) - User-Review

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • The 11th Hour (PC) - User-Review

      Abendliche Rätsel-Stunde bis zum Nervenschwunde

      Vor über zwanzig Jahren, im November 1995, erschien The 11th Hour. Wie macht sich das Retro-Adventure im Vergleich zu seinem bekannten Vorgänger The 7th Guest?

      The 11th Hour ist das Sequel zu The 7th Guest, einem von Trilobyte entwickelten, 1993 veröffentlichten und mit insgesamt ca. zwei Millionen verkauften Exemplaren ehemals sehr erfolgreichen Mystery-Adventure. Doch im Vergleich zu seinem populären Vorläufer, den fast jeder ältere Spieler- zumindest dem Namen nach her - kennt, blieb The 11th Hour relativ unbekannt. Das Sequel hatte es auch von Anfang an schwerer. Konnte The 7th Guest für sich noch beanspruchen, als eines der ersten CD-Rom-Spiele technisch wegweisend zu sein, so war die CD-Rom-Technologie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von The 11th Hour Ende 1995 bereits etabliert und hatte die 3,5-Zoll-Diskette als bestimmendes Speichermedium längst abgelöst. Außerdem brachte Sierra mit Phantasmagoria im selben Jahr ein anderes FMV-Grusel-Adventure auf den Markt, das in Sachen Gewaltdarstellung nicht nur eine ganze Nummer härter ausfiel, sondern auch ein zugänglicheres (weil: weniger verkopftes) Rätseldesign sowie praktisch durchgängig Filmsequenzen zu bieten hatte und damit in scharfer Konkurrenz zu The 11th Hour trat.

      Gefährliche Recherchen

      The 11th Hour ist zeitlich siebzig Jahre nach The 7th Guest angesiedelt. Die einst pompöse Villa des Spielzeugmachers Stauf, die abseits einer US-amerikanischen Kleinstadt liegt und damals Schauplatz während der Suche nach einem mysteriösen (siebten) Gast war, ist inzwischen komplett verlassen und in einem baufälligen Zustand. Dennoch bietet sie immer noch genügend Stoff für allerlei Mythen und reißerisch aufgemachte (Grusel-)Stories. Jedenfalls aus Sicht der sensationshungrigen TV-Produzentin Robin Morales. Die junge Dame stellt Nachforschungen über das geheimnisvolle Anwesen an... - und verschwindet kurz darauf spurlos. Obwohl, "spurlos" trifft es nicht ganz. Denn es gibt jemand, der bewusst Spuren legt, Fausts Alter Ego: Henry Stauf. Und es gibt auch einen, der sich mit Spurensuche auskennt: Carl Denning, ein bekannter Fernseh-Reporter und Freund von Robin Morales, dessen Rolle wir fortan übernehmen.

      Zurück in die Grusel-Villa

      Schnell wird klar: Morales wurde entführt. Und zwar von Stauf. Klar, dass sich Denning sofort aufs Motorrad schwingt, um die Geliebte aus den Fängen des unheimlichen Puppenmachers zu befreien. Carls Nachforschungen führen direkt in jenes Spukhaus, das Spieler aus The 7th Guest noch bestens kennen. Abgesehen davon, dass die Hütte mittlerweile reichlich Staub angesetzt hat und einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck macht, ist eigentlich alles beim Alten geblieben. Nun wäre es in einem Point & Click-Adventure natürlich viel zu einfach, mal eben aufs Anwesen zu brausen und die Freundin kurzerhand rauszuhauen. Exzentriker Stauf hat überall in seiner Villa Rätsel platziert. Die gilt es zulösen, wenn wir Robin (lebend) wiedersehen wollen.

      Im Prinzip verfolgt The 11th Hour zwei Handlungsstränge. Vordergründig geht es zwar um die Befreiung der TV-Journalistin; parallel dazu wird Carl Denning jedoch mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert, die sich kurz zuvor in und außerhalb der Villa Stauf zugetragen haben. Hier wird eine Besonderheit zum Vorgänger deutlich: Spielte The 7th Guest ausschließlich innerhalb des Hauses, so erleben wir in The 11th Hour einen Teil der Geschichte auswärts. Die Szenen außerhalb des Anwesens werden stets von Schauspielern im Rahmen von Filmsequenzen dargestellt. Wie schon in The 7th Guest machen die FMV- bzw. filmischen Elemente allerdings nur einen vergleichsweise geringen Anteil aus. Die Netto-Film-Zeit liegt bei knapp über einer Stunde, die Gesamtspielzeit von The 11th Hour aber bei weitaus mehr Stunden, so dass die Abschnitte, die in gerenderter, 3D-animierter Spiele-Grafik gehalten sind, weiterhin klar dominieren.

      Rätsel-Marathon

      Rein spielerisch knüpft The 11th Hour nahtlos an das Konzept von The 7th Guest an. Bestimmend für das Gameplay ist das Lösen meist recht kniffliger Rätsel. Größtenteils handelt es sich hierbei um eine Aneinanderreihung von typischen Intelligenz- und Geduldsspielen, also Aufgaben, wie sie einem so oder ähnlich früher in Rätselheften begegneten oder im Neudeutsch auch immer wieder unter der Bezeichnung "Gehirn-Jogging" auftauchen. Ein Inventar gibt es nicht. Überhaupt wurde auf das Sammeln und Kombinieren von Gegenständen komplett verzichtet. Nahezu jeder Raum der Villa hält ein Rätsel für uns bereit. Wir müssen eigentlich nur alle Zimmer nacheinander abklappern und können die Aufgaben dann direkt vor Ort in Angriff nehmen.

      Schon ziemlich zu Beginn des Spiels bekommen wir die erste Kopfnuss serviert: den"Rösselsprung". Auf einem Schachbrett müssen wir jeweils zwei weiße und schwarze Pferde in einer bestimmten Reihenfolge versetzen. Wenn man gut ist, d.h. die Reihenfolge durchschaut, schafft man's in vierzig Zügen. Wenn nicht, sitzt man möglicherweise den ganzen Abend daran. Im ungünstigsten Fall bis zur elften Stunde, denn bis dahin sollten alle Rätsel - und nicht etwa nur das eine - gelöst worden sein. Gottseidank nicht in Echtzeit, denn was uns Stauf diesmal an Aufgaben vorsetzt, kann uns am heimischen PC durchaus mehrere Tage (und Nächte) in Anspruch nehmen. Obwohl auch weniger umständliche Rätsel vorkommen, lassen sich selbst diese im Normalfall nicht auf die Schnelle erledigen, sondern setzen gründliche Überlegung, vor allem aber Geduld voraus. Im Musikzimmer von Henry Stauf erwartet uns ein Verschieberätsel (davon gibt es mehrere in The 11th Hour). Um beispielsweise zu einem Ausgang zu gelangen, müssen wir einzelne Möbelstücke umher bewegen. Gut 90 Züge (!) sind erforderlich, bis wir das angestrebte Ziel erreicht und die Aufgabe somit gelöst haben. Dann sind wir mit diesem (einen) Rätsel fertig. Und auch mit den Nerven.

      Aufgrund der Rätseldichte bzw. der Zeit, die man in einzelne Aufgaben investieren muss, gerät - und das war bereits eine Gameplay-Schwäche in The 7th Guest - die eigentliche Handlung rasch zur Nebensächlichkeit. Man ist dermaßen mit den Knobelaufgaben beschäftigt, dass einem kaum noch Muße bleibt, sich auf die eigentliche Story einzulassen. Zudem ist man den spöttischen Kommentaren Staufs ausgesetzt ("Du hast das Intellekt einer Bananenschale!"), wenn man für eine Lösung mal länger braucht. Ironie des Ganzen: Nicht die Story und einige zum Teil recht blutige Filmszenen sind es, die an den Nerven zerren, sondern die Rätsel. Offenbar haben die Entwickler die Gefahr erkannt und dem Spieler deshalb die Option eingeräumt, dieses Manko zu umschiffen. Das sogenannte Game Book, ein mobiler Sprachcomputer, den Denning übers ganze Spiel hinweg bei sich trägt, gibt für gewöhnlich bis zu zwei Hinweise zur Lösung des jeweils anstehenden Rätsels. Wobei einige Tipps manchmal sehr kryptisch ausfallen. So muss man u.a. selber darauf kommen, dass "Vögelchen mit rotem Büstenhalter" auf ein Rotkehlchen hindeutet und mit "laufenden Bilder in einer Zauberkiste" ein Fernsehgerät gemeint ist.

      Helfen auch die Hinweise des Game Books nicht weiter, hat Denning die Möglichkeit, das Rätsel durch Einsatz seines vorgenannten mobilen Computers lösen zu lassen (ausgenommen ist das finale Rätsel, bei dem das Game Book nur noch stark eingeschränkt zur Verfügung steht). Dies erspart dem Spieler sicherlich den ein oder anderen Frustmoment (hämischer Kommentar von Stauf: "Kannst Du nicht selber denken?!"), beraubt ihn allerdings auch seiner Erfolgserlebnisse, die sich immer dann einstellen, wenn er ein schwierigeres Rätsel gemeistert hat. Das Game Book ist multifunktional. Hierüber lassen sich auch Speicherstände anlegen oder der Grundriss des Hauses und andere wichtige Informationen einblenden bzw. abrufen. Auch die Filmsequenzen werden dort abgelegt. Nach Abschluss des Spiels können wir uns alle Filmszenen zusammenhängend angucken, so dass man sich das Ganze dann nochmals in Form eines Spielfilms ansehen kann, ohne von allzu langwierigen Rätseln unterbrochen zu werden.

      Und sonst?

      Für die damalige Zeit - und wir sprechen hier von einem First-Person-Adventure, das mittlerweile immerhin mehr als zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat - war The 11th Hour ein Augen- und Ohrenschmaus. Gemessen an heutigen Maßstäben ist es das (zwangsläufig) nicht mehr. Die niedrig aufgelösten Filmsequenzen und die inzwischen hoffnungslos überalterte Grafik nötigen dem Spieler des Jahres 2018 bestenfalls ein müdes Lächeln ab. Gleichzeitig aber machen diese Dinge einen Teil des Retro-Charmes aus, der von diesem Titel nach wie vor ausgeht. Die Schauspieler, die in The 7th Guest noch wie halb durchsichtige Geistergestalten ausschauten und deren Auftreten mehr was von einer zweitklassigen Theater-Vorstellung mit Laiendarstellern als von einem Grusel-Adventure hatte, sind nun "vollständig" zu sehen und kommen daher auch besser zur Geltung.

      Die Steam-Version von The 11th Hour, auf die dieser Test beruht, stürzte bei mir mehrmals ab (ob ähnliche Probleme auch mit den Download-Fassungen anderer Anbieter wie GOG.com oder Gamersgate.com auftreten, kann ich nicht beurteilen, da ich diese nicht gespielt habe). Ein Blick in diverse Foren deutet daraufhin, dass besagtes (Steam-)Problem nicht nur auf meinem PC auftritt. Allein schon von daher macht es Sinn, regelmäßig von der Quicksave-Funktion Gebrauch zu machen, um so den Spielfortschritt zu sichern. Das sollte man vor allem am Schluss tun, denn dann erwartet uns ein Showdown à la Stauf und der Spieler hat die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Enden. Zwei davon werden für Denning ungünstig ausgehen.

      Fazit

      Die eingangs gestellte Frage, wie sich The 11th Hour im Vergleich zu seinem bekannten Vorgänger The 7th Guest macht, kann so beantwortet werden: Nicht besser, nicht schlechter. Sieht man einmal davon ab, dass es in The 11th Hour etwas direkter (= blutiger) zugeht als in The 7th Guest, tun sich die beiden Spiele nichts - insbesondere nicht in Sachen Gameplay. Nach wie vor liegt der Schwerpunkt auf dem Lösen knackiger Rätsel, was eindeutig zu Lasten von Story und (Grusel-)Atmosphäre geht. Die Handlung ist zwar ziemlich schwach, hätte aber genug Potential gehabt, um für spannende Unterhaltung zu sorgen. So aber wird sie durchs unverändert sperrige Rätseldesign ausgebremst, kann sich nicht richtig entfalten und bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. The 11th Hour dürfte somit hauptsächlich Hardcore-Rätselfüchsen und Retro-Sammlern gefallen. Für Spieler aber, die großen Wert auf eine ausgewogene Mischung aus Story, Atmosphäre und Rätsel legen, hält die (heutige) Adventure-Welt weitaus bessere Alternativen bereit.

      PRO:
      - fordernde Rätsel
      - gute Grafik (für damalige Verhältnisse)
      - guter Sound (Sprecher, Musik)
      - blutiger als The 7th Guest

      CONTRA:
      - Rätsel teilweise noch nerviger als in The 7th Guest
      - Story bleibt nebensächlich
      - Steam-Version stark Absturz-gefährdet


    • Goldeneye schrieb:

      Das Setting klang gut, aber im Endeffekt liest es sich ja eher so dass es im Gesamten etwas mau ist.
      Das ist es Gameplay-mäßig für meine Begriffe auch. Retro-Fans können dennoch einen Blick riskieren. Oder (geduldige) Spieler, die etwas anspruchsvollere Rätsel (davon gibt's ja in neueren Adventures kaum noch welche) mögen.

      Die Dracula-Games habe ich früher auch sehr gerne gespielt, ebenso Adventures wie Syberia, Still Life oder Black Mirror. Inzwischen bin ich mehr in Richtung explorative Atventures (Ethan Carter, Everybody's Gone to the Rapture usw.) unterwegs.

      Ich meine: Für die damalige Zeit waren Adventures wie The 7th Guest und The 11th Hour absolut okay. In technischer Hinsicht sogar überragend. Aber im Jahre 2018 tue ich mich irgendwie schwer damit. Habe allerdings auch nie so richtig den Zugang zu Retro-Spielen gefunden. Gibt nur wenige Ausnahmen, z.B. Grim Fandango.