(PC) Barrow Hill

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    • (PC) Barrow Hill

      Irgendwo in der britischen Grafschaft Cornwall stehen inmitten eines abgelegenen Waldgebietes keltische Monumente in Form meterhoher alter Steine. Um jene Gebilde ranken sich allerhand Gerüchte und Mythen. Der in England aus einschlägigen Wissenschafts-TV-Sendungen bekannte Archäologe Conrad Morse arbeitet dort seit Jahren an Ausgrabungen und betreibt Spurensuche, um das Geheimnis besagter Monumente zu lüften und den - wie die Geheimniskrämer munkeln - "Fluch der Kelten" zu ergründen. Sicher genug Stoff für ein Mystery-Adventure. Was lag für die Spiele-Entwickler also näher, besagten Archäologie-Experten für das Videogame "Barrow Hill" als Berater zu engagieren. Und da Wissenschaft bekanntlich sehr trocken sein kann, hat man das Ganze noch um eine spannende Story erweitert, die den Spieler quasi in die Rolle des Forschers versetzt. Denn bis heute ist nicht geklärt, wer jene Menhire und die Steinkreise erbaut hat und was es mit den Grabhügeln wirklich auf sich hat. In der hier behandelten PC-Umsetzung "Barrow Hill" gibt es zudem ein weiteres Problem: Conrad Morse und sein Expeditionstrupp sind spurlos verschwunden. Nur ein Zufall? Oder steckt mehr dahinter?


      Das Spiel beginnt auf einer Landstraße, nicht weit von Cornwall. Die Abenddämmerung bricht herein. Eine Radiosprecherin, deren Nachrichten wir während der Fahrt im Autoradio verfolgen, macht uns auf eine Besonderheit hin: Im heidnischen Kalender ist das heutige Datum aus herbstliche Tag-und-Nacht-Gleiche ausgewiesen, was nichts anderes bedeutet, dass Tag und Nacht heute exakt 12 Stunden dauern. Offenbar nicht gerade unser Glückstag, denn plötzlich streikt der Wagen und wir bleiben mitten in einem Waldstück liegen. Um uns herum nur Dunkelheit, die zwölfstündige Nacht beginnt ihre Schatten über die Grafschaft zu werfen.. Glücklicherweise befindet sich nicht sehr weit von unserem Pannenplatz eine kleine Tankstelle. Aber irgendwas stimmt hier nicht. Der fremde PKW, der dort abgestellt ist, schein fluchtartig verlassen worden zu sein und der Tankstellenbesitzer, der vor Angst nur so stottert, hat sich in seinem Zimmer verschanzt. Zeigen will er sich nicht. Dafür aber hat er einen guten Rat für uns auf Lager: Wir sollen um Himmelswillen den Steinkreis meiden, denn: Die Kelten sind zurück!


      Uns lassen solche Empfehlungen natürlich unbeeindruckt. Die Tankstelle, welche etwas vom Flair einer Geisterstadt ausstrahlt, wird fortan nur einer der Schauplätze sein. Weitere wichtige Orte sind das angrenzende Motel, eine alte Scheune, eine Radiostation, eine im Wald gelegene Telefonzelle (nicht unweit einer Zombie-ähnlichen Vogelscheuche), eine geheimnisvolle Quelle, das verlassene Lager von Conrad Morse und seinem Team direkt neben der Ausgrabungsstätte sowie zwei gegenüberliegende Steinkreise (kleiner und großer Steinkreis). Und damit die Knie auch schön schlottern, sind wir in dieser frisch-kühlen Nacht komplett auf uns allein gestellt. Unsere zwischenmenschlichen Begegnungen beschränken sich während der gesamten Spielzeit auf ein kurzes Gespräch mit dem Tankwart, der sich allerdings nur hinter verschlossener Tür mit uns unterhalten möchte, und die bereits aus dem Autoradio bekannte Sprecherin, die sich bald schon selbst in großer Gefahr wähnt, und mit der wir gelegentlich Verbindung übers Handy aufnehmen. Die Reporterin besitzt übrigens einen Hund. Ihm begegnen wir später auch. Oder besser gesagt dem, was von ihm übriggeblieben ist. Denn der Vierbeiner hat sich zu weit an einen der unheimlichen Steine gewagt und liegt jetzt nur noch in Pulver-Ausführung vor. Aber auch wir müssen auf der Hut sein. Denn anders als bei vergleichbaren Adventures ist unser Hauptcharakter ebenso sterblich, kann also in bestimmten Situationen bei unüberlegtem Handeln sehr schnell das Zeitliche segnen und dann womöglich so enden wie zuvor schon der eingeäscherte Wau-Wau. Sollte das einmal geschehen, ist es jedoch nicht weiter tragisch (zumal alles ja nur ein PC-Game ist), denn der Spieler wird in solchen Fällen automatisch an die letzte Szene zurückgesetzt. Außerdem dürfen wir jederzeit schnellspeichern. Es empfiehlt sich, gerade in späteren Spielabschnitten von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, damit wir unseren Spielfortschritt immer festhalten können.


      "Barrow Hill" ist ein eher klassisch gehaltenes Point&Click-Adventure und vom Prinzip her am ehesten mit Genre-Kollegen wie "Scratches" vergleichbar. Wie für ein Mystery-Adventure üblich, lebt auch das Forschungs-Abenteuer in den nächtlichen Wäldern um Cornwall von seiner gruseligen Atmosphäre und der bedrückenden Spannung. Die Entdeckungstour und das Geheimnis um alte Rituale, Zeremonien und Legenden garantiert über Stunden hinweg Nervenkitzel der gepflegteren Machart. "Gepflegt" deshalb, weil auf Blut oder Schock-Momente zu Gunsten einer stilvoll gehaltenen Erzählstruktur verzichtet wurde. Dennoch ist an einigen Stellen Gänsehaut garantiert; beispielsweise, wenn plötzlich ein schwarzer Rabe hinter einer Tonne aufgescheucht wird (Überraschungseffekt, bei der Szene habe ich vor Schreck meinen Apfelsaft umgekippt) oder wir in den Besitz von bespielten Videobändern gelangen, die Tankstellenbesucher irgendwann am späten Abend an der Station ankommend zeigen - und dann wie aus dem Nichts ein turmhoher Stein auftaucht, der die nächtlichen Besucher spurlos verschwinden lässt. Die Videoaufzeichnung bricht an dieser Stelle ab. Was danach geschah, wird nicht dargestellt, sondern der Fantasiewelt des Spielers überlassen.




      Große Freiheit genießen wir bei der Wahl des Vorgehens. "Barrow Hill" spielt sich nämlich erfreulich nicht-linear, d.h. es bleibt weitgehend uns überlassen, wie und in welcher Reihenfolge wir unsere Nachforschungen betreiben. Immerhin ein klarer Vorteil gegenüber anderen Adventures, wo man im gesamten Spiel nicht weiterkommt, nur weil man irgendeine Kleinigkeit übersehen hat. Die eigentliche Handlungsführung ergibt sich meist aus dem Studium von Notizen, Briefen, Zeichnungen oder Dokumenten, die wir in Schubladen, auf Tischen oder an Wänden vorfinden. Dummerweise existiert kein elektronisches Notizbuch, in denen das Gelesene festgehalten und damit ständig abrufbar bleibt. Das ist natürlich äußerst unpraktisch. Denn so sind wir gezwungen, ständig Notizen zu machen (ohne griffbereites Schreibzeug und Papier ist "Barrow Hill" nahezu unspielbar) und uns bestimmte Orte, die wichtige Informationen enthalten, zu merken, um dann später ggf. dorthin zurückkehren zu können. Wer einen gewissen Schreibaufwand scheut oder kein gutes Gedächtnis besitzt, sollte sich daher auf viel Lauferei einstellen, was den Spielspaß in diesem Fall natürlich mindert. Dass solche Gameplay-bestimmenden Aspekte wesentlich besser gelöst werden können, haben Titel wie "Overclocked" oder "Belief & Betrayal" unter Beweis gestellt. Zumindest bei weniger erfahrenen Adventure-Spielern könnte dies dazu führen, dass sie mitunter die Orientierung verlieren. Auf eine Hilfefunktion - mittlerweile fast schon Standard bei vielen Adventures der letzten zwei Jahre - muss der Spieler bei "Barrow Hill" leider verzichten. Die Entwickler hätten dies berücksichtigen müssen. Sie taten es nicht. Das gibt Punktabzug.


      Ein Point&Click-Adventure lebt neben einer interessanten Story, Spielwelt und guten Sprechern ganz wesentlich vom Rätseldesign. Bei "Barrow Hill" hat man erfreulicherweise ein gesundes Mittelding gefunden. Die Rätsel sind weder zu einfach, noch zu schwer. Oft genügt bereits reine Aufmerksamkeit. So erfahren wir zum Beispiel eine bestimmte Telefonnummer aus einer Radiosendung (natürlich nur, wenn wir auch das richtige Programm eingestellt haben), entnehmen die Positionen der Steine und ihre Nummerierungen einem Tagebucheintrag, fügen Papierschnipsel zusammen, um eine Zeichnung zu erhalten, entnehmen dem Nummernschild eines Jeeps wichtige Ziffern für die Zahlenkombination eines Aktenkoffers oder versuchen, die Empfangsbereitschaft unseres Handys mit Hilfe der Frequenzdaten am Schaltkasten eines Telekommunikationsmastes sicher zu stellen. Etwas aufwändiger ist da schon die Herstellung sogenannter Opfergaben (1-mal Birnensaft, 1-mal Stachelsaft und 2-mal Brombeersaft in den Mixer gegeben und danach in einem Eierbecher abgefüllt ergibt z.B. die Opfergabe für den Stein Gavrock. Ja, die Steine tragen einzelne Namen), weil deren "Herstellung" immer viel mit Sammeln und Zusammenstellung verbunden sind. Entscheidend ist unterm Strich die Beschaffung von drei Fragmenten. Diese müssen ausfindig gemacht, zusammengefügt und auf einem großen Altar angebracht werden, um das Geheimnis des Grabhügels zu lüften.




      Vermag es "Barrow Hill" den Spieler an Filme wie "Twin Peaks" zu erinnern, so kann die insgesamt gelungene Atmosphäre nicht über die technischen Schwächen hinwegtäuschen. Das mit Abstand größte Manko ist die Steuerung. Wir steuern unseren Charakter, dessen Name uns übrigens bis zuletzt nicht bekannt ist, aus der Ego-Perspektive und müssen uns deshalb recht umständlich von Bildausschnitt zu Bildausschnitt klicken. Doch anders als bei vergleichbaren Titeln verfügen wir dabei über keinen 360°-Radius, können uns also nicht umschauen, sondern müssen uns in die gewünschte Richtung abermals klicken. Das erfordert eine längere Eingewöhnung und schränkt sowohl Übersicht als auch Bewegungsfreiheit ein. An manchen Spielabschnitten führt dies immer wieder zu ausschweifenden Klick-Orgien. Abgesehen von diesem Ärgernis kann man mit der Bedienung jedoch leben (was bleibt einem auch anderes übrig?). Der Handcursor verändert sich situationsabhängig, zeigt uns also an, ob wir etwas aufnehmen und benutzen - oder ggf. heran- bzw. heraus-zoomen können. Auch das Kombinieren verschiedener Objekte ist mühelos möglich. Das Inventar befindet sich am unteren und oberen Bildschirmrand, so dass sich die wichtigsten Gegenstände schnell per Mausbewegung auf dem Sichtfeld des Monitors abrufen bzw. einblenden lassen.


      Grafisch hinterlässt "Barrow Hill" einen zweigeteilten Eindruck. Einerseits wirkt die Umgebungswelt statisch (wenig bis gar keine Animationen) und die farbarmen Render-Bildschirme erscheinen irgendwie nur niedrig aufgelöst (sie sind es vermutlich auch), doch ist es gleichzeitig eben jene betonte Schlichtheit und "Kälte", die nicht unerheblich zur Darstellung der düsteren Szenerie beiträgt. Entschädigt wird man dafür im Zweifelsfalle mit dem gelungenen Sound. An der Geräuschkulisse - dazu gehören insbesondere "Umweltlaute" wie das Fegen des Windes, das Rascheln der Blätter oder das Knicken von Ästen - lässt sich kaum etwas aussetzen. Auch die (wenigen) Sprecher machen ihre Arbeit gut, was sowohl für die englische als auch deutsche Lokalisation zutrifft (der Spieler hat zu Beginn des Spiels die Wahl zwischen beiden Sprachen).


      Wer über die nötige Geduld und Ausdauer verfügt, hat das Geheimnis der Grabhügel in etwa acht Stunden ergründet. Darüber hinaus erwartet uns noch ein alternatives Ende, so dass ein gewisser Wiederspielwert gegeben ist. Irgendwann ist der Spuk vorbei. Unsere Wagenbatterie springt wieder an. Der Motor läuft. Die Stimme der Radiosprecherin klingt gelassen und die Morgendämmerung bricht heran. In der Grafschaft Cornwall wird es bald wieder Tag sein.




      Pro:

      + spannende Story

      + (Grusel-)Atmosphäre



      Contra:

      - umständliche Steuerung

      - keine Hilfefunktion




      Grafik: 70 %


      Sound: 70 %


      Bedienung: 60 %


      Gameplay/Spielspaß: 80 %



      Gesamtwertung: 70 % (= "befriedigend")




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