(PC) F.E.A.R. 2: Project Origin
Nachdem die Entwickler von Monolith um die Jahrtausendwende mit No one lives forever einen von der Kritik in höchsten Tönen gelobten, aber von den Käufern weitgehend ignorierten Ego-Shooter auf den Markt brachten, erfolgte mit F.E.A.R. (= First Encounter Assault Recon) vor etwa sieben Jahren der verdiente kommerzielle Durchbruch. Die Kombination aus rasanter Baller-Action und Psycho-Thriller, einhergehend mit einer erstklassigen KI und einer effektvoll in Szene gesetzten Zeitlupenfunktion, die selbst Max Payne vor Neid erblassen ließ, kam an und fand viele Fans. Dem Basisprogramm aus dem Jahre 2005 folgte das Addon Extraction Point (2006) sowie die selbstständig lauffähige Erweiterung Mission Perseus (2007). Die Story um den Leichenfressenden Ober-Motz Fettel, seine Klon-Soldaten und die kleine Hexe Alma, die in F.E.A.R. 2 inzwischen zur Teenagerin herangereift ist, wurde - aus unterschiedlichen (zeitlichen) Perspektiven - immer weiter fortgesponnen und erfährt nun in "Project Origin" ihre eigentliche Auflösung.
Der hier behandelte offiziellen zweiten Teil zu F.E.A.R. lässt uns das Geschehen aus Sicht von Sgt. Michael Becket, dem Angehörigen einer Spezialeinheit, erleben. Die Handlung beginnt nur wenige Minuten vor Ende des ersten Teils, der bekanntlich mit einem explosiven (Zwischen-)Finale schloss. Eigentlich besteht unser Auftrag darin, eine gewisse Genevieve Aristide ausfindig zu machen. Die Dame ist Präsidentin von Armacham und verfügt über genaue Kenntnisse die Forschungseinrichtung "Origin" betreffend. Das "Projekt Origin" steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Ereignissen um Alma und somit der Aufdeckung der näheren Hintergründe. F.E.A.R. 2 besteht im Kern aus einer Singleplayer-Kampagne mit mehreren zumeist recht umfangreichen Hauptkapiteln, die sich jeweils wiederum in zahlreiche Level aufteilen. Der MP-Teil ist - wie immer bei F.E.A.R. - eher belanglos, weil bei dieser Reihe eben die Story im Mittelpunkt steht. Augenscheinlich fällt vor allem das neue HUD (Heads-up Display) auf, das es so in den Vorgängern nicht gab und uns die Umgebungswelt aus einer Art Schutzhelm erleben lässt. Dies ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, schränkt den Überblick aber keineswegs ein, zumal diese Ego-Perspektive relativ dezent ausgefallen ist und im weiteren Spielverlauf eigentlich gar nicht mehr auffällt. Die meisten Gesundheits-, Medikit- und Waffenanzeigen kennt man so oder ähnlich eh schon, so dass die Entwickler auf die Erweiterung besagten HUD-Schnickschnacks genauso gut hätten verzichten können. Aber offenbar wollten sie den Fans mal was Neues bieten, was im Prinzip natürlich begrüßenswert ist.
Ein Positivum: die Steuerung wurde weiter vereinfacht. Zum Besteigen einer Leiter müssen wir - anders als noch in den Vorgängern - jetzt nicht mehr die "Benutzen"-Taste drücken, sondern können gleich drauf losklettern. Das Umlehnen an Ecken bzw. hinter Vorsprüngen ist aber weiterhin nicht möglich. Ist in diesem Fall aber verzeihlich, da F.E.A.R. 2 ein klassischer Ego-Shooter ist, in dem ohnehin kaum taktiert oder geschlichen wird. Dafür sind wir nun aber in der Lage, via "E"-Taste Betten o.ä. umzuwerfen und somit als Deckung zu nutzen oder Regale und Hindernisse zu bewegen bzw. wegzuräumen. Spielerisch ist dies insofern von Bedeutung, als wir innerhalb der (mal wieder) sehr linearen Levels immer wieder auf kleinere Hindernisse (durch Sperrgut blockierte Türen usw.) stoßen, die sich dann per Tastendruck leicht beseitigen lassen. Die bereits aus den Vorgängern bekannte Taschenlampe befindet sich auch diesmal im Gepäck. Muss auch so sein, da das Halbdunkel die Umgebungswelt dominiert, obschon - sehr erfreulich - die Spielabschnitte in Außenbereichen etwas zugenommen haben. Sonst ist aber vieles beim Alten geblieben. Hier und dort geht es mal darum, ein Ventil zu schließen (um ausströmendes, entflammbares Gas abzusperren) oder ein Gitterschloss aufzuschießen. An einigen Stellen müssen wir auch Elektroleitungen zerstören, um beispielsweise Wasserpfützen passieren zu können. Und dann gibt es noch eine kleine Geschicklichkeitsübung, bei der wir dem Propeller eines fluguntüchtig geschossenen Hubschraubers in Bodennähe ausweichen müssen.
Was die Gestaltung der Umgebungswelt betrifft, so ist diese im neuen F.E.A.R. etwas abwechslungsreicher ausgefallen. Zugegeben, die Levels wirken immer noch kantig. Und Fahrstühle, Bürokomplexe und (Lüftungs-)Schächte kennen wir bereits zur Genüge aus dem ersten Teil. Dennoch gibt es einige neue Schauplätze (z.B. eine Grundschule) und durchaus spannende Spielabschnitte. Brachiale Baller-Action wechselt sich ab mit Scharfschützeneinsätzen inmitten abgebrannter Häuserruinen und einigen Mech-Missionen. Letztere machen besonders viel Laune, denn dabei können wir einen Kampf-Roboter besteigen und ganze Straßenzüge von gegnerischen (Raketenwerfer-)Soldaten säubern. Oder wir klemmen uns hinter ein stationäres MG und decken mit geballter Feuerkraft das Vorrücken unserer Teammitglieder in einer weitläufigen U-Bahn-Station. Denn mitunter ist der Spieler auch mit Kollegen unterwegs, wobei er allerdings die meiste Zeit als Solist agiert. Die Freund- und Feindes-KI bewegt sich dabei auf gewohnt hohem Niveau. Nur an zwei oder drei Stellen im Spiel gab es Aussetzer, als Gegner nicht reagierten bzw. mehr oder weniger bewegungslos in der Gegend umher standen. Vielleicht waren sie bei unserem Anblick aber auch nur so beeindruckt. Wer weiß schon, was in so einem Klon-Soldaten vorgeht?
Sonst aber funktioniert die KI ausgezeichnet. Auf den Schein unserer Taschenlampe beispielsweise reagiert die Klon-Truppe sofort mit "Vorsicht Licht!"-Rufen und leitet gegen uns umgehend Gegenmaßnahmen ein. Trotz der ausgereiften KI sind unsere Gegner aber meist keine wirklich große Herausforderung, weil Sgt. Becket weitaus mehr einstecken kann, als seine menschenähnlichen Feinde. Gegnerische Roboter sind da schon schwerer zu knacken. Spätestens dann erweist sich die nach wie vor effektvoll in Szene gesetzte Zeitlupen-Funktion als hilfreich, welche das ganze Geschehen verlangsamt, uns aber trotzdem schneller handeln lässt, als dies dem Feind in diesem Modus möglich ist. Wie schon in den Vorgängern, so finden sich auch diesmal allerlei Ausrüstungsgegenstände in den Levels verteilt; darunter Waffen/Munition, Medkits, Panzerwesten und diverse Injektionen, die der persönlichen Gesunderhaltung dienen bzw. bestimmte Fähigkeiten (Reflexe) steigern. Das ist auch dringend notwendig, weil wir es nicht nur mit Klon-Soldaten, sondern darüber hinaus mit (übernatürlichen) Elite-Nahkämpfern, (fast) unsichtbaren Gegnern usw. zu tun bekommen.
Die einzelnen Missionsziele beschränken sich auf das typische "gelange von Punkt A zu B", das Kontakten und den Schutz wichtiger Personen und das Auffinden bestimmter Informationen/Daten. Folglich ist man gut beraten, alle Räumlichkeiten genauer zu untersuchen und auch mal in abgelegenen Winkeln oder unter Treppen zu stöbern. Aufgrund der linearen Ausrichtung - also auch, was die Spielwelt betrifft - wird man aber in den seltensten Fällen etwas übersehen. Wichtige Hinweise sind zudem markiert. Manchmal muss Becket etwas Tempo machen, z.B. wenn es darum geht, ein Gebäude, das in Kürze explodiert, baldigst zu verlassen. Apropos Explosionen: auch wenn F.E.A.R. 2 optisch hinter Titeln wie BioShock zurückfällt, sehen die Spezialeffekte (z.B. das Explodieren von herumstehenden Fässern) immer noch gut aus. Und wir verfügen einmal mehr über ein paar äußerst effektiver Waffen. Zwar gelangt die Nagelkanone (damit lassen sich Stahlbolzen verschießen und buchstäblich "umnieten") diesmal erst recht spät in unseren Besitz, aber von MP, Sturmgewehr, Schrot-/Snipergewehr, Laserstrahl-Wumme, Handgranaten, Minen mit Fernzünder usw. finden wir so ziemlich alles vor, was der Shooter-Fan begehrt. Neu im F.E.A.R.-Waffensortiment ist u.a. eine Art Flammenwerfer, mit der sich Gegner in Brand schießen lassen. Dummerweise verfügen die ebenfalls über jene Brandgeschosse, so dass auch uns mitunter ein warmer Hintern droht.
Die deutschsprachige (sehr gut synchronisierte) F.E.A.R. 2-Version ist geschnitten. Wir können durch Beschuss beim Feind keine Körperteile abtrennen oder ähnliche Schweinereien begehen. Blutig geht es dennoch auch in der hiesigen Cut-Fassung zu. Die Umgebungswelt macht auf den Spieler den Eindruck einer fürchterlichen Zerstörung - und überall liegen schrecklich zugerichtete Leichen herum. Auch in einigen Sequenzen geht es heftig zu. Da wird ein Wissenschaftler vor unseren Augen quasi enthauptet oder wir schießen einem missliebigen Colonel während eines Nahkampfes mit einer Ladung Schrot den kompletten Kopf vom Rumpf. Andeutungsweise werden wir außerdem Zeuge einer Szene, in der ein befreundeter Soldat von einer chirurgischen Maschine getötet wird. Die Psycho-Zwischensequenzen, in denen Alma kurz auftaucht, haben sich allerdings mittlerweile ziemlich abgenutzt. Sie ähneln denen vorangegangener F.E.A.R.-Spiele und wirken deshalb nicht mehr ganz so shocking. Dennoch gibt es hier und da den ein oder anderen Überraschungseffekt, z.B. wenn plötzlich ein Autowrack auf uns niedersaust. Wiederum andere Abschnitte spielen sich recht hektisch; beispielsweise wenn wir uns auf einem fahrenden Zug wilde Feuergefechte mit größeren Gegner-Aufkommen leisten.
F.E.A.R 2 ist nicht sonderlich reich an Innovationen. Spaß macht der Titel dennoch. Und F.E.A.R. darf atmosphärisch weiterhin als einer der spannendsten Ego-Shooter angesehen werden. Denn die Kombination aus Action, Psycho-Thriller und Story geht nach wie vor auf, wobei das Ganze zwangsläufig nicht mehr so spektakulär erscheint, wie dies noch bei Teil 1 aus dem Jahre 2005 der Fall war. Das Ende in Teil 2 kommt - wie bereits im Vorgänger - recht plötzlich und wirft Fragen auf. Alma ergreift die Hand unseres Helden. Ob das wirklich ein gutes Zeichen ist?
Pro:
+ technisch immer noch ansprechend (Grafik, Sound, Steuerung)
+ technisch immer noch ansprechend (Grafik, Sound, Steuerung)
+ unverändert gute KI
+ abwechslungsreiche Missionen (mehr Außenlevel)
Contra:
- trotz gewisser Neuerungen keine wesentlichen Innovationen
- trotz gewisser Neuerungen keine wesentlichen Innovationen
Grafik: 80 %
Sound: 90 %
Steuerung: 90 %
Gameplay/Spielspaß: 80 %
Gesamtwertung: 85 % (= "noch sehr gut", 1 -)
Gesamtwertung: 85 % (= "noch sehr gut", 1 -)