Von der Kriminalität zur digitalen Kunst – Homecomputer Demos und Chiptunes im Test

Es fing alles am Rande der Legalität an: Mit dem Aufkommen der Homecomputer Ende der 70er und Anfang der 80er und deren günstigen Massenmedien, seien es Tapes oder Disketten, wurde auch ein relativ neues Phänomen zunehmend populär – die Raubkopie. Entwickler sahen sich kompletten Kopiererringen gegenüber, die über Schulhöfe und Postfächer die heiße Ware an die Kunden brachten. So wurde der Kopierschutz eingeführt, eine notwenige, wenn auch lästige Schutzvorrichtung, die die Datenträger vor simpler Kopiererei schützen sollte. Die nun zahlreichen Kopierschutzmaßnahmen ließen einen neuen Volkssport in der Homecomputerszene entstehen: Das Cracken. Hier wurde schlicht von Hobbycodern im Kinderzimmer und der Garage der Kopierschutz umgangen. Da der Mensch bekannterweise ein gewisses Geltungsbedürfnis hat, fanden sich auf Kopien von Spielen nach einer weile sogenannte Crackerintros, von den Crackern selber entwickelte Intros in denen man sich selbst zu Crackleistung beglückwünscht.

Im Lauf der Zeit wurden diese Crackerintros immer komplexer und technisch beeindruckender, ein regelrechter Wettbewerb um das beste Intro entstand. Doch nicht nur das Bild macht Fortschritte, auch die Musik. Die Intros erlebten im Laufe der Zeit auch eine musikalische Revolution und nicht selten war die Musik des Crackerintros besser als die Musik des Spieles.

cracktro.gif

C64 Crackerintro

Was in der Illegalität begann, löste sich bald davon und lies eine eigene Szene entstehen, die Demoszene. Hier wurden schlicht nur noch selbstlaufende Intros gebastelt, sogenannte Demos, deren Fokus es meist war, der beschränkten 80er Jahre Hardware technische Kunststücke zu entlocken. Was klein begann, entwickelte sich zu einer eigenen Form digitaler Kunst. Eine eigene Szene entstand, sogenannte Demo-Partys wurden organisiert, vergleichbar mit einer digitalen Kunstausstellung, wo jeder Künstler sein Werk vorstellt und es gegebenenfalls sogar in einen Wettbewerb stellt.


Doch nicht nur die technisch und optisch beeindruckenden Demos setzten zu Höhenflügen an, auch die Musik war es, die einige Szenekünstlern aus der Demoszene zu Ruhm verhalf. Bekanntheiten wie Jochen Hippel kamen aus der Demoszene und sind dort heute noch aktiv. Die begrenzten Soundchips der 3-Kanal-Homecomputer lockten durch ihre Beschränktheit viele Musiker, ja eher schon Musikarchitekten, die versuchten aus dem minimal Gegebenen das Maximale rauszuholen.


Die Homecomputer gingen, die Demoszene blieb. Auch heute ist die Szene noch extrem aktiv und viele junge Tüftler und alte Veteranen finden daran Gefallen aus beschränkter Hardware das Maximale rauszuholen. Auch bekannte Demopartys wie die „Outline“ in den Niederlanden finden immer noch alljährlich statt.

deusex.gif

Deus Ex Machina Demo C64

Auch wenn heute die alten Homecomputer nur noch sporadisch genutzt werden, ist die Szene aktiv wie nie. Dank Emulation und Youtube sind die neuesten Werke schnell verbreitet und leicht zugänglich, der Vertrieb über das Internet tut sein Übriges. Wer am heimischen TV die alten Demos noch einmal aufleben lassen will, ohne sich mit Emulation und alter 80er Jahre Hardware auseinander setzen zu wollen, hat mit der DVD „Digital Memories – The Best of Commodore 64“ die Gelegenheit. Die DVD bietet mehrere C64-Demos von den 80ern bis heute, sowie einige Chiptunes und eine Bildergallerie, die das Herz des Brotkasten-Nostalgikers höher schlagen lässt.

t4_digitalmemories.jpg

Folgende Demos sind auf der DVD zu finden:

  • Deus Ex Machina von der Gruppe Crest
  • Boogie Factor von der Gruppe Fairlight
  • The Last Reactor III von der Gruppe React
  • That's the Wave it is von der Gruppe Panoramic Designs
  • Nine von der Gruppe Reflex
  • Cycle von der Gruppe Booze Design
  • Seal of Focalor von der Gruppe Megastyle
  • Altered States von der Gruppe Taboo
  • Parts von der Gruppe Oxyron
  • Tales of Mystery von der Gruppe Spirit
  • Tower Power von der Gruppe Camelot
  • Electric Cafe von der Gruppe Ash&Dave
  • Dutch Breeze von der Gruppe Blackmail
  • Triage 3 von der Gruppe Smash Designs
  • Elysion von der Gruppe Origo
  • Unsound Minds von der Gruppe Byterapers

Alles in Allem ist die Auswahl der Demos gelungen, das Portfolio gibt sich abwechslungsreich und teils beeindruckend. Schön ist zudem, dass sowohl alte Demos aus der Aktiven Zeit des C64 als auch neue Demos enthalten sind, so dass man sehen kann, welche Entwicklung auch die Demoszene genommen hat. Leider ist das Menü etwas durcheinander geraten und navigiert sich umständlich, aber einfacher als Befehlszeilen in den C64 zu hämmern ist es allemal. Wer also mal während einer Retroparty die Gäste ansprechend beschallen und optisch was bieten wil,l kann auch hier zuschlagen, denn aufgrund der recht großzügigen Länge einzelner Demos kommt die DVD auf knappe 3 Std Laufzeit.


Wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich noch 140 Szene-Grafiken, 14 C64-Musikhits sowie die C64 Spiele Turrican 3, Crush, Metal Warrior 4 und It's Magic zu Gemüte führen.


Die DVD gibt’s bei getdigital zu kaufen:


http://www.getdigital.de/products/Digital_Memories_1


Wie bereits angesprochen, war die Optik nur ein halber Teil der Miete. Auch die Musik damaliger Tage - die sogenannten Chiptunes - erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Viele Songs der Homecomputer sind zu Klassikern geworden, die häufig auch mit modernsten Mitteln und Instrumenten geremixt worden sind, teils sogar von Metal-Bands neu interpretiert wurden. Eine Dokumentation der Errungenschaften der modernen Chiptunes Szene findet sich auf der Compilation 8Bit People, welche nicht die Originale zum Besten gibt, sodnern eher Chiptunes als Grundlage für vollkommen neue Stücke oder Neuinterpretationen der Klassiker nutzt. Die schmucke Doppel-CD kommt im stylishen Case mit Retro-Look daher.

t4_8bitpeoples.jpg

Die Qualität der Stücke schwankt dabei gewaltig. Von retroesk-melodisch bis sperrig, teils sogar nervenzerrend geht die Beschallung. Euphemistisch könnte man manche eigenwilligen Stücke auch „experimentell“ nennen. Wer jedoch Freund dieser elektronisch angehauchten Musikrichtung ist, kann gefallen an der CD finden, zumal die gebotene Bandbreite mit guten 50 verschiedenen Interpreten weit gestreut ist. Freunde originalgetreuer SID-Tunes lassen jedoch die Finger von der CD.

Die CD gibt es bei getdigital zu bestellen, ein Link mit Hörproben findet sich ebenfalls dort:


http://www.getdigital.de/products/8bitpeoples


Wie man sieht, ist die Demoszene auch heute noch ein spannendes Gebiet der digitalen Kunst, welche nicht nur die ewig Gestrigen bedient, sondern ihre Technik und Kreativität auch in neue, spannende und auch moderne Kunstformen der Musik und digitalen Videos trägt.


Wir danken getdigital.de für die Bereitstellung der Rezensionsmuster!


http://www.getdigital.de/index/geschenkideen

 
Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen