Nun bin ich trotz dieses Hintergrunds mit auf den aufgekommenen Hype-Train gesprungen, als ich die ersten Trailer zu Kingdom Come Deliverance sah. Verdammt, sah das gut und so realistisch aus. Auf der gamescom im letzten Jahr durfte ich den Titel bereits anspielen und von da an hemmte sich die Vorfreude ein wenig. Bei mir lief mein Questgeber schreiend vor mir weg, sodass ich die Aufgabe nicht abschließen konnte, bei meinem Sitznachbarn links funktionierte die Steuerung nicht wie gedacht und rechts daneben stürzte gar das gesamte Spiel ab. Lange Ladezeiten, eine etwas verwirrende Steuerung und ein anscheinend auf Zufall basierendes Quest System waren weitere Beispiele, die dafür sorgten, dass ich das Spiel bis zu seinem Release in diesem Jahr aus dem Fokus verlor.
Okay, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, dachte ich und immerhin war noch etwas Zeit, um diese Kinderkrankheiten auszumerzen. Also startete ich das fertige Spiel, zockte die erste halbe Stunde und stellte dann erstmal fest: kein freies Speichersystem? »Hmmm okay« dachte ich, hatte ich bei Dark Souls ebenfalls nicht und das machte einen großen Reiz des Spiels aus. Bei Kingdome Come Deliverance ist das jedoch eine Traumvorstellung. Gepaart mit den teils sehr weiten Questwegen kann das mitunter verdammt frustrierend werden, wenn man einen gefühlt ewig langen Weg ein zweites, vielleicht sogar drittes Mal zurücklegen muss, weil Speichern zwischendurch nicht möglich ist. Das ist schlechtes Gamedesign.
Der Hauptheld Heinrich mustert sich vom harmlosen Bauern zum ritterhaften Krieger und das Spiel zeigt uns einen recht realistischen Schnitt durch die damalige Gesellschaft. Jedoch fehlt der Story die eine oder andere Wendung oder ein Aha-Effekt, um wirklich bis ans Ende motiviert bei der Stange gehalten zu werden. Man muss sich eben darauf einlassen und sich wie in einem trockenen Buch durch langatmige Passagen kämpfen. Eines muss man den Jungs von Warhorse Studios jedoch lassen. Die Welt ist wunderschön gestaltet und erzählt immer wieder kleinere Geschichten, die durch die gut vertonten Dialoge getragen werden. Egal ob die englische oder deutsche Tonspur, die Sprecher machen insgesamt einen guten Job und die Hintergrundmusik unterstützt die Immersion.
Kommen wir nun zu dem größten Manko für mich: das Gameplay. Kingdom Come Deliverance spielt sich aus der Ego-Perspektive. Anders als beispielsweise in Skyrim lässt sich diese auch nicht auf Wunsch wechseln. Der Kampf mit Schwert und Schild ist relativ komplex und dadurch mitunter sehr fordernd. Wir können aus verschiedenen Richtungen blocken und schlagen, man sollte daher zu jeder Zeit ein Auge auf seinen Gegner haben und versuchen, dessen Bewegungsabläufe zu lesen und zu deuten. Und doch fühlen sich die Auseinandersetzungen vor allem gegen stärkere Gegner überfordernd an und scheinen großteils dem Glück und Zufall zu unterliegen. Das liegt an der recht trägen Steuerung, die, oftmals durch Verzögerungen bestimmt, einen Sieg immer unwahrscheinlicher werden lässt. Das drückt bei den weit auseinander liegenden Savepoints den Spielspaß ungemein. Wenn man eine Stunde Gameplay wiederholen darf, nur weil man von einer Wache überrascht wurde, ist das mehr als frustrierend. Auch mit mehreren Gegnern sollte man sich besser nicht anlegen, vor allem nicht, wenn es sich um eine Gruppe von Rittern handelt.
Wer viel Geduld mitbringt und sich auf diesen realistischen und daher sehr langatmigen Ansatz einlässt, der wird mit Kingdom Come Deliverance gewiss seine Freude haben. Kaum ein Game stellt das Mittelalter wohl so glaubwürdig und originalgetreu dar, jedoch gibt es weitaus bessere Rollenspiele. Der Vergleich mit Skyrim ist an der Stelle auch nicht ganz fair, für mich war es jedoch ein guter Vergleich, um zu zeigen, dass die Probleme, welche Kingdom Come Deliverance für mich hat, nicht auf jeden Spieler zutreffen müssen. Das Spiel macht vieles richtig, ist aber bedeutend langsamer und daher bodenständiger als ein Fantasy-Rollenspiel Epos. Was sich mit Gewissheit sagen lässt. Wer schon kein großer Fan von Bethesdas Meisterwerk ist aufgrund der aufgezeigten Elemente, der sollte definitiv die Finger von Kingdom Come Deliverance lassen!