Nein, Velvet ist keine strahlende Heldin. Comicfans würden sie mehr als Anti-Heldin bezeichnen, als jemand, der zwar für eine Sache antritt, die an und für sich richtig ist. Doch die bei der Wahl ihrer Methoden alles andere als zimperlich ist. Um zum Beispiel an ein Schiff zu kommen, dass sie weiterbringt, sorgt sie dafür, dass die Hauptquelle der Wirtschaft einer Hafenstadt zerstört wird und gleichzeitig für großflächige Zerstörungen. Sie hinterlässt eine im Prinzip vollkommen verkrüppelte Stadt, deren weiteres Schicksal ihr gleichgültig ist. Und mit dieser Person soll man sich quasi anfreunden?
Erstaunlicherweise funktioniert letzteres sogar. Es mag zwar sein, das Velvet kein angenehmer Charakter ist. Doch durch die typischen Tales of.. Dialogszenen, wird ihre Figur behutsam ausgebaut und charakterisiert. Man merkt, dass sie ihre wahren Emotionen unter einem Eispanzer verschlossen hat. Und hat regelmäßig Szenen, in denen sie zeigt, dass sie trotzdem noch fühlt. Zum Beispiel, als einen Malak, eine Art Dienerdämon rettet und ihn Laphicet nennt. Solche Momente sorgen dafür, dass man Sympathien für sie entwickelt. Sie ist kein Monstrum, sondern einfach nur eine Getriebene Person.
Gleichzeitig werden ihr auch jede Menge Figuren zur Seite gestellt, die das Spiel richtig lebendig machen. Man hat zum Beispiel die Zauberin Magilou, die alles überdramatisch darstellt. Oder den Mala-Piraten Eizen, der sich der Reaper nennt und von sich selbst überzeugt ist, unter einem Fluch zu stehen. Das sind nur zwei von vielen Figuren, die man im Laufe des Games kennenlernt. Und die eben dafür sorgen, dass man es schnell sehr gut finden wird.
Hinzu kommt auch noch die Story an sich, die unter dem Untertitel „A Tale of Emotion versus Reason“ steht. Was perfekt zusammenfasst, was die Geschichte auszeichnet. Dabei geht es ebenso um Fragen der Moral, ob nämlich die Aktionen von den Protagonisten richtig sind. Darauf wird es keine einfachen Antworten geben, soviel sei jetzt schon verraten.
Das gelungene Kampfsystem von Tales of Beseria basiert dabei auf den richtigen Einsatz von Aertes und Souls. Aertes sind die Angriffe, die du durchführst. Im Prinzip kannst du eine Combo mit bis zu fünf Attacken durchführen, wobei jede auf einem der vier Knöpfe rechts auf dem Pad der PS4 liegt. Allerdings kannst du zu Beginn nur drei Attacken nacheinander durchführen, weil du auch nur drei Souls hast. Mehr kriegst du, wenn du einen Gegner besiegst oder zumindest für einen kurzen Moment kampfunfähig machst. Hast du allerdings eine Kombo durchgeführt, ist es empfehlenswert zu warten, bis sich deine Souls wieder aufgeladen haben, da du sonst welche verlierst, wenn deine Feinde dich dann erfolgreich attackieren können.
Diese Beschreibung des Kampfsystems ist jetzt sehr vereinfacht, da es wesentlich komplexer ist. Nicht ohne Grund kriegt man noch Stunden nach Spielbeginn ein kurzes Tutorial um die Ohren gehauen, dass einem einen neuen Aspekt näherbringt. Auf der einen Seite ist es zwar gut, dass Tales of Beseria sich Zeit lässt, wichtige Spieleelemente näher zu bringen. Andere JRPGS sind nicht so nett und knallen einem gleich zu Beginn ein Mega-Tutorial um die Ohren. Aber auf der anderen Seite ist es schon nervig, wenn man weiterspielen möchte und dann erstmal ein Tutorial durchlaufen muss.
Des Weiteren kann man die Charaktere mit vielen verschiedenen Outfits ausstaffieren. Wer sich also an dem etwas luftigen und an die Bad Girls-Outfits aus den Comics der 90er Jahre erinnernde Kleidung stört, der kann sich hier austoben. Je länger man spielt, desto mehr Kostüme und Accessoires schaltet man frei. Eine wichtige Quelle sind dabei die Katz-Truhen, die man öffnen kann, wenn man ausreichen Katz-Seelen aufsammelt, die überall im Spiel versteckt sind. Wobei nicht immer sicher ist, dass man auch was kriegt, wenn man eine solche aufmacht.
Tales of Berseria ist kein Open World-Spiel, wie noch der Vorgänger. Es ist deutlich runterskaliert. Man befindet sich in überschaubaren Karten, die aus diversen Gebieten bestehen, die man nacheinander abklappern kann. Und um ehrlich zu sein? Es stört nicht, dass die Welt in viele kleine Areale aufgeteilt ist, da man so immer noch mehr als genug zu tun hat.
Allerdings merkt man dem Spiel an, dass es sich um einen Multiplattform-Titel handelt. Damit ist weniger gemeint, dass es hierzulande auch auf dem PC herauskommt. Vielmehr kann man es in Japan ebenfalls für die PS3 kriegen. Und so wirkt die Optik zwar ganz nett. Aber man hat nicht das Gefühl, dass hier wirklich alles aus der PS4 herausgeholt wird, abgesehen von den stabilen 60fps.
Tales of Beseria ist ein sehr gutes JRPG, das man sich als Genre-Fan unbedingt holen sollte.