Der Virtual Boy - Nintendos Traum von 3D im Test

Virtual Boy

Jahre vor seiner Veröffentlichung munkelte man bereits etwas von einem 3D-Gerät aus dem Hause Nintendo. Aus "Virtual Utopia Experience (VUE)" wurde „VR32“, was wiederum in die endgültige Bezeichnung „Virtual Boy“ resultierte. Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde der inoffizielle Nachfolger des Gameboys auf der Shoshinkai Exhibition am 14. November 1994 (Famicom Spaceworld 1994), der Release fand ein Jahr später am 21. Juli in Japan und am 14. August in den USA statt – den Sprung über den großen Teich in die alte Welt schaffte das Handheld leider nie ... Hier ein Ausschnitt aus dem Original Nintendo-Pressetext:

Virtual-Boy-1„The Virtual Boy, our RISC-based, 32-bit system, produces a 3-D experience not possible on conventional television or LCD screens. The system has two high-resolution, mirror-scanning LED (light emitting diode) displays. Its unique design eliminates all external stimuli, totally immersing players into their own private universe with high-resolution red images against a deep black background. The 3-D experience is enhanced through stereo sound and a new specially-designed, double-grip controller that accommodates multidirectional spatial movement. Virtual Boy is a stand-alone, table-top unit that doesnt connect to a television screen. It is powered by six AA batteries."

Was sie damit meinen: Der Virtual Boy ist mit KEINER anderen Heimkonsole vergleichbar. Sobald ihr eure Augen gegen die fernglasartige Architektur des Gehäuses drückt, bekommt ihr absolut räumlich wirkende monochrome Schwarz-Rot Bilder zu Gesicht, die sich nicht vor 3D Kino, Shutter Brille und Co. verstecken müssen (Weitere Farben wie Blau, Gelb usw. hätten Preis sowie den Batterieverbrauch in die Höhe getrieben). Leider waren überzeugte VB Zocker durchweg einsame Menschen, denn nur der Spieler konnte sehen, was sich im Inneren der Konsole abspielt; Das angekündigte Link-Kabel erschien leider nie. An Zubehör waren lediglich AC-Adapter, Ersatz-Schaumgummi-Dichtungen und Kopfhörer erhältlich.


gunpeiNintendo-Urgestein Gunpei Yokoi war der Erfinder dieses 3D Experiments. Ihm haben wir die legendäre Game&Watch Serie sowie DAS Handheld überhaupt, den Gameboy, zu verdanken. Desweiteren arbeitete er mit Nintendo of Japans R&D (Research & Development) zusammen und wirkte an zahllosen Super Mario Plattformern mit. So verwundert es auch nicht, dass Nintendo einem ihrer kreativsten Köpfe ohne zu Zögern Mittel und Kapital zur Verfügung stellte um seine Vision zu realisieren. Yokoi wollte nicht einfach dem Virtual Realitiy Wahn der Mitneunziger folgen, sondern eine vollkommen neues und ungewöhnliches Spielgefühl erschaffen, was ihm sicherlich auch geglückt ist.

Der Virtual Boy musste seinerzeit gegen die schier übermächtige 32-Bit Konkurrenz bestehend aus PSOne und Saturn antreten, konnte jedoch weder bei Grafik (Die 3D Engines boten lediglich Mode 7 inspirierte Bitmap Spielereien), noch beim Preis/Leistungs-Verhältnis punkten – die unverbindliche Preisempfehlung lag bei 180 US Dollar, bzw. 15.000 Yen. Problematisch war auch die Positionierung des Gerätes im Markt. Eine rein stationäre Konsole war das 3D-Gerät nicht, denn es kam mit kompletter Headunit und Bildschirmen. Ein Handheld stellt der Virtual Boy hingegen auch nicht dar, da das Gerät alles andere als portabel war und auf einem Ständer auf einem Tisch platziert werden musste. Das machte den Virtual Boy zu einem Hybriden, mit dem viele Konsumenten nichts anzufangen wussten. Insbesondere die unbequeme Körperhaltung beim Spielen machte den Leuten zu schaffen, gepaart mit Sehproblemen und Kopfschmerzen bei zu exzessivem "Spielgenuss".

virtual_boy_e3Insgesamt sind 22 Games veröffentlicht wurden, von denen alle mehr oder weniger von der 3D-Funktion des Virtual Boy Gebrauch machen. Zu den Besten zählen Mario Tennis (lag erfreulicherweise der Packung bei), Wario LandMario Clash3D TetrisGolfPanic BomberGalactic Pinball und Red Alarm. Besonders Wario Land reizte die Konsole gebührend aus und übertraf die bekannte Gameboy Fassung um Längen. Leider ist die Spielbibliothek eher übersichtlich, so dass es insgesamt wenig zu Sammeln gibt. Aufgrund der geringen Verbreitung des Virtual Boys finden sich einige extrem teure Sammlerstücke in der Software-Libary. Titel wie Virtual Bowling oder SD Gundam Dimension War erzielen schon mal Preise an die 1.000 Dollar.

Vom spielerischen Wert kann sich das Softwareangebot also durchaus sehen lassen, mit Ausnahme von Warioland, Mario Tennis und Red Alert fehlen jedoch echte Blockbuster. Ambitionierte Titel wie Donkey Kong Country, Mario Kart, Star Fox und Golden Eye wurden leider nie veröffentlicht ... unveröffentlichte Prototypen wie Bound High oder Dragon Hopper existieren zwar nahezu fertiggestellt, sind aber nicht mehr kommerziell erschienen.

Der Third Party Support wurde seitens Nintendo stark eingeschränkt, man befürchtete eine Flut an Spielspaßkrücken und Low Budget Titeln. Unfähiges Marketing (Im ersten halben Jahr wurde keinerlei Szenen aus Spielen veröffentlicht – Da werden Erinnerungen an SEGAs 6 Milliarden Spieler Kampagne wach ...) und der Umstand, dass die VB-Technik bei Kindern unter sieben Jahren Augenschmerzen verursachte, gaben der ambitionierten Konsole letztendlich den Todesstoß. Nach lediglich 770.000 durchverkauften Einheiten wurde die Produktion Ende 1996 eingestellt, sämtliche +/- 34 Exklusiventwicklungen eingestellt und das zweite Nintendo Handheld offiziell für „tot“ erklärt. Ungeachtet der vielen Milliarden Yen, die Gunpei Yokoi für Nintendo erwirtschaftete, musste er seinen Platz räumen ...

virtual_boy_flashboyHeute, viele Jahre später ist der Virtual Boy ein begehrtes Sammlerstück und gilt bis heute als Nintendos einzige gefloppte Hardware. Das Experiment war mutig, doch in der Umsetzung haperte es. Einerseits war es problematisch die Hardware dem Konsumenten "begreifbar" zu machen, andererseits war die Zeit noch nicht reif. Wäre der Virtual Boy beispielsweise zwei Jahre später erschienen, wären farbige Displays möglich gewesen und das Gerät allein durch diese Tatsache massenkompatibler gewesen. Eine kleine, aber aktive Szene hält dem 3D-Tabletop die Treue und versucht sich an Homebrew-Entwicklungen wie "Blox" oder "VB Racing". Gespielt werden können diese Titel mit der Virtual Boy Flashkarte "Flash Boy".

Auch wenn der Virtual Boy floppte, so lies Nintendo offenbar der Wunsch nach 3D in Spielen nicht los. Im März 2011 startete man den deutlich erfolgreicheren zweiten Anlauf mit dem Nintendo 3DS, welcher ebenfalls das steroskope Spielen ermöglicht. Diesmal aber in Farbe, als Handheld und ohne Brille. Scheint, als sei die Zeit nun reif für 3D.


Hier die genauen Technischen Daten:

Prozessor: 
32 Bit RISC CPU (Ein Großteil der beeindruckenden Prozessoreinheit wird durch die Bildschirmtechnik verbraucht, da zwei Bildschirme entsprechend Hardware hungrig sind.)

Geschwindigkeit:
20 Mhz (Playstation und Saturn greifen auf ca. 30Mhz zurück.)

Display:
Die hochauflösenden LED Displays wurden von Reflection Technology Inc. gefertigt und wirken wie 12 Zoll Monitore (Trotz ihrer eher bescheidenen Originalspannweite von einem Zoll). Jedes LED hat 200 unabhängige Lichtpunkte, die das jeweilige Bild erschaffen. Jeder Bildschirm berechnet und zeigt ein anderes Bild, die Kombination aus beiden sorgt für die dreidimensionale Wirkung.

Auflösung:
1x224 Pixel pro Auge, bei 50Hz. durch rotierende Spiegel im Gerät wird der Eindruck von 384x224 erweckt.

Sound:
16 Bit digitaler Stereo Sound mit eingebautem Lautsprechersystem.

Controller
Angenehme Ergonomie mit zwei Steuerkreuzen und 6 Action Buttons.

Software
8 oder 16 Megabit ROM (Read only Memory) Cartidges, 24 Megabit-Versionen befanden sich in der Entwicklung.

Batterieverbrauch
6 AA Batterien reichten für sieben Stunden, damit bot der Virtual Boy ein ähnlich kostspieliges Vergnügen wie Nomad &Co.

 

Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Forum
  • von Civilisation:

    Und hier ist noch mal Kais Virtual Boy-Special. Der Virtual Boy - Nintendos Traum von 3D Jahre vor seiner Veröffentlichung munkelte man bereits etwas von einem 3D-Gerät aus dem Hause Nintendo. Aus "Virtual Utopia Experience (VUE)" wurde „VR32“, was wiederum in die...

  • von Undead:

    ich kann mir nicht vorstellen das es an den Kondensatoren liegt. Habe selbst 2 VB hier liegen die einwandfrei Funktionieren. Wenn es wirklich daran läge, hätten wir ein GG Phänomen wo sehr viele bis alle Geräte davon betroffen sind ...

  • von Tronpheus:

    Evtl. haben deine Drähte nicht richtig Kontakt. Gerade der Rechte auf dem Bild sieht seltsam aus. Platine nochmal reinigen. Kondensatoren kannst du auch mal tauschen. Schaden tut es normal ja nicht....

Insgesamt 56 Beiträge, diskutiere mit
Follow us
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen