Mein NES, ein 9-Jähriger und Hits von gestern im Test

NES

Kürzlich hatte ich das Vergnügen, einen ganzen Abend auf meinen 9-jährigen Neffen aufzupassen. Babysitting, auf Neudeutsch. Damit der Junge etwas Anständiges spielt, beschloss ich ihm das NES näher zu bringen. Um zu zeigen, womit der Onkel früher so daddelte. Und um auszuloten, ob die Jugend von heute mit den Hits von gestern zu ködern ist.

Donkey-Kong-2Während ich das NES anschloss, wählte der Knirps aus dem Schuhkarton, in dem ich meine losen NES Module aufbewahre, ein Spiel aus: Donkey Kong. Gute Wahl, Kleiner - ein echter Evergreen. Die Idee, dass sich in dem monströsen Stück Plastik ein Spiel befindet, kam ihm seltsam vor. Noch mehr verwirrte ihn aber der Gedanke daran, was er damit tun müsse: "Das muss ich da reinschieben?"

Jaja, die Jugend von heute kennt dieses eherne Grundprinzip nicht mehr. Was haben wir in den 80ern & 90ern nicht überall reingeschoben!? Module in unsere Konsolen, Kassetten in unsere Kassettenrekorder und Süßigkeiten in unsere Jackentasche. Letzteres unfreiwillig, die fielen einfach rein. (Die mich beobachtende Verkäuferin war allerdings gegenteiliger Meinung ...)

Zurück ins Heute: Nach dem "ins-Modul-pusten", einem der Vorfreude dienenden Ritual der Pioniertage, erschien schließlich das Titelbild mit seiner unvergänglichen Melodie. Ich drückte dem Kleinen das Pad in die Hände, worauf sich anschließend folgender Dialog entspann:

Er: Wie lenke ich?
Ich: Steuerkreuz!
Er: Wie springe ich?
Ich: A-Knopf!
Er: Und ich muss da oben hin?
Ich: Ja...
Er: Warum ist der Affe böse?
Ich: Öh...

Die letzte Frage erwischte mich eiskalt. Öh - ja, warum eigentlich!? "Keine Ahnung, spiel trotzdem weiter!"

Irgendwie schien ihm diese unbeantwortete Frage aber den Spielspaß zu verhageln. Nach zehn Minuten (und einem halben Dutzend Game Over) fand er es langweilig. "Können wir ein anderes Spiel spielen?" Na klar, warte, jetzt wähle ich aus. Ein Griff meinerseits in den Schuhkarton. Ok, er geht auf eine Waldorfschule. Vielleicht mag er eher etwas kreativ-abstraktes. Lassen wir ihn Tetris spielen! Modul rausgezogen, eingelegt. Spiel gestartet, vorgespielt, Spielprinzip erklärt.

Er: Das ist alles?
Ich: Ja.
Er: Da kann man ja gar nichts richtig machen. Das ist blöd.
Ich: Blöd!? Das hab ich drei Wochen am Stück auf meinem GameBoy, tagein tagaus gespielt!
Er: ...

Na, bitte - wenn es mehr Anspruch sein soll! Ich ließ ihn ins offene (Enter)messer laufen und kramte Pirates! hervor. Das Cover des Moduls gefiel ihm, ebenso die Idee als Pirat Angst und Schrecken zu verbreiten. Der Funke erlosch aber schnell. Nur Englisch, das Schiff lässt sich „blöd“ steuern und allgemein viel zu kompliziert und langweilig. Pah, kein Sitzfleisch mehr die Jugend! Mir gelüstete es zum Pad zu greifen und ihm mal zu zeigen, wie man die Karibik um ihr Erspartes bringt. Wobei ich mich daran erinnerte, unbedingt den Pirates! Test in unserer Datenbank zu überarbeiten. Während ich kurzzeitig die Kontrolle an Deck übernahm, stellte der Kleine höchst eindrucksvoll seine Langeweile zur Schau. So, wie das nur Kinder können. Zappeln und demonstratives Umschauen nach allen Seiten. Stilles zusehen, wie bei uns damals, ist nicht mehr. Diese Generation daddelt entweder selbst oder gar nicht.

Kirby-s-Adventure-logoVielleicht können wir noch was anderes ausprobieren?“ Okay, dann halt keine Piraten. So langsam beschlich mich der Verdacht, dass die Jugend von heute einfach nichts mehr mit 8-Bit-Klassikern anfangen kann. Ich dachte an meine Zeit mit dem NES zurück, eine der schönsten Phasen meiner Jugend. Dann fiel es mir ein - Kirby‘s Adventure, na klar! Ich suchte nach dem Modul und erzählte ihm von der Story, dem Traumland, König Nickerchen und dem Zepter. Er wirkte interessiert. Ich startete und drückte ihm das Pad in die Hand. „So lenkst, springst und fliegst du und hiermit kannst du Gegner einsaugen.“ Er schien fasziniert. Und amüsierte sich über die Animationen. Zum Beispiel, wenn Kirby sich aufblies, um als dicker Knödel durch die Lüfte zu gleiten. Die nächste Stunde spielte er begeistert Kirby‘s Adventure, was mir die Zeit gab, diesen Artikel zu schreiben.

Persönliches Resümee: Kirby kriegt sie alle. Obwohl die Jugend von heute verwöhnte Bälger sind. Virtuelle Spielwelten sind für diese Generation nicht mehr das Fenster zum futuristischen Morgen, zu einer anderen Welt. Videospiele sind für sie etwas Normales. So wie Radio oder Fernsehen. Der Lack des „neuen, unbekannten, elitären“ ist ab. Während ich noch darüber grübelte, jubelt der Kleine lautstark. „Guck mal, ich hab den Endgegner besiegt!!!“. „Aha“, denke ich mir. „Noch ist nichts verloren ...

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Forum
  • von Wan-Fu:

    Freunde?Was sind freunde? ...

  • von Slainte:

    Ja das Problem hab ich mit meinen Freunden aus der Umgebung auch ...

  • von Freebird:

    Ich hab mal einer (ehemaligen) Freundin die gerne Street Fighter IV spielte, das gute alte Super Street Fighter 2 gezeigt. Sie meinte daraufhin dass sowas gar nicht mehr gehen würde tz..tz ...

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