Bionic Commando im Test

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Die Zeiten als Videospielfiguren noch in knallbunter 2D-Grafik von links nach rechts hüpften sind schon lang vorbei. Glücklicherweise heißt das aber nicht dass die Helden unserer Kindheit damit von der Bildfläche verschwunden sind. Capcom hat sich ein Herz gefasst und beschert uns in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Entwicklerstudio GRIN eine Neuauflage des mittlerweile über 20 Jahre alten Klassikers Bionic Commando in Form eines actionreichen 3D Person-Shooters.


Es ist kein guter Tag für Nathan Spencer… Der bionisch verbesserte Supersoldat wurde zur Terrorismusbekämpfung ausgebildet, in eine Spezialeinheit gesteckt und soll nun nach getaner Arbeit mangels Zukunftsperspektive hingerichtet werden. So oder so ähnlich ergeht es dem Großteil seiner ehemaligen Einheit, manche der bionischen Soldaten konnten fliehen, andere sind bereits tot und eine Handvoll hat sich der Gegenseite angeschlossen, wie wir später erfahren werden. Aber woher kommt diese plötzliche Abneigung gegen die einstigen „Helden“. Nunja, ihre bionischen Veränderungen machten die Bürger misstrauisch. Stimmen wurden laut dass die verbliebenen Soldaten eine Gefahr für die eigene Bevölkerung darstellen und aufgrund ihrer bionischen Körperteile ja sowieso keine richtigen Menschen mehr wären. Folglich ließen die Politiker neben den Menschenrechten der Bionics auch ihre „Upgrades“ entfernen und stellte sie zu guter letzt sogar noch für die Morde zu denen sie damals ironischerweise von eben jenen Politikern beauftragt wurden, vor Gericht. Doch kommen wir zurück zu Nathan in dessen Rolle wir uns gerade auf dem Weg in die Todeszelle befinden…

Zu unserem Glück wird aus der geplanten Hinrichtung nichts, da die Stadt Ascension City durch einen unerwarteten terroristischen Anschlag nahezu komplett zerstört wird. Der Regierung wird schnell klar dass plötzlich doch wieder Verwendung für Nathan besteht und schickt die wandelnde Ein-Mann-Armee samt bionischen Greifarm erneut in den Kampf gegen den Terror. Natürlich hat dieser nicht viele Ambitionen der Regierung die ihn hintergangen hat zu helfen, allerdings winken neben einer Begnadigung auch Informationen über seine unter mysteriösen Umständen verschwundene Ehefrau Emily … Die klischeebehaftete Story vom amerikanischen Superheld, der im Alleingang die Welt vor bösen Terroristen retten muss hatten wir zwar schon zur Genüge, dennoch bietet die Geschichte eine akzeptable Grundlage für spannendes Geschwinge und einen etwa 10 Stunden andauernden Actiontrip.



Nach einem stimmungsvollen Intro das uns den Angriff auf Ascension City durch die sogenannten BioReign-Terroristen zeigt, finden wir uns mitten in der Stadt in einem Bürogebäude wieder. Allerdings einarmig und lediglich mit einer Pistole bewaffnet… Die Suche nach Nathans „besserer Hälfte“ oder genauer gesagt seinem bionischen Arm bildet dabei ein Tutorial welches uns die grundsätzlichen Bewegungsabläufe wie Laufen, schießen, springen, ausweichen und Nahkampfangriffe erklärt. Etwa 15 Minuten später ist das gute Stück auch schon gefunden und wird in einer Zwischensequenz sogleich an Nathan´s Körper geheftet.

Es folgt eine weitere Trainingseinheit die uns anhand eines virtuellen Programms zeigt wie genau wir unseren Arm zu bedienen haben und wozu wir ab sofort im Stande sind. Zum besseren Verständnis sollte vielleicht noch kurz erklärt werden worum es sich bei dem bionischen Helferlein überhaupt handelt. Anstelle des linken Armes trägt Nathan nämlich eine mechanische „Protese“, die auf Knopfdruck ein ca. 25m langes unzerstörbares Stahlseil samt daran befestigen Enterhaken verschießt, welcher an nahezu allen Oberflächen haftet. Das äußerst vielseitige Gerät ermöglicht es uns spielend die Fassaden riesiger Gebäude zu erklimmen, ähnlich wie Spiderman an Pfeilern, Sockeln, Werbeschildern oder Leuchtreklamen durch die City zu schwingen und später sogar ganze Autowracks oder Gesteinsbrocken durch die Gegend zu schleudern. Der Greifarm wird auch gerne mal zweckentfremdet und als Waffe eingesetzt um uns an Gegner heran zu ziehen, diese umher zu werfen oder Objekte wie Werbetafeln und Leuchtreklamen aus ihrer Verankerung zu reißen.



Nathans Steuerung ist sehr direkt umgesetzt, allerdings ist schon etwas Übung nötig um die Vielzahl an möglichen Aktionen und Angriffen komplett zu beherrschen. Glücklicherweise stehen diese nicht alle von Anfang an zur Verfügung sondern werden erst nach und nach freigeschaltet. So werden wir nicht sofort mit zig Funktionen ins kalte Wasser geworfen, sondern können uns langsam die Bewegungsabläufe mit dem High-Tech-Arm herantasten. Das gut funktionierende Zielsystem besteht aus zwei Teilen. Neben der regulären Variante, mit der wir Feinde ins Visier nehmen oder heranzoomen können bietet Bionic Commando noch eine eigenständige Zielhilfe für den Greifarm die anhand eines blauen Zielkreuzes automatisch alle „greifbaren“ Stellen in Blickrichtung zeigt. Positionen die nur durch einen Sprung mit anschließendem Abschuss des Enterhakens erreichbar sind, werden grau gekennzeichnet, Feinde bekommen die Signalfarbe rot und Objekte mit denen wir in irgendeiner Form interagieren können, werden gelb angezeigt.

Haben wir die Grundlagen erlernt, steht dem Ausflug in die Häuserschluchten der Stadt nichts mehr im Weg. Todesmutig stürzen wir uns von einem Wolkenkratzer nach unten nur um im letzten Augenblick, kurz vor dem Aufprall an einem Laternenmast wieder nach oben zu schwingen. Diese Momente sind einfach atemberaubend und wenn sich Nathan mit ausgebreiteten Armen in die Tiefe stürzt werden Erinnerungen an Altair aus Assassin´s Creed wach.



Geruhsames Schwingen durch die Großstadt ist aber nicht. Die meiste Zeit werden wir von feindlichen Soldaten, Scharfschützen, Mechs oder sonstigen Bösewichten durch die Levels gehetzt, was den Adrenalinspiegel konstant hoch hält und kaum Zeit zu verschnaufen lässt. Ein Actionhighlight jagt das nächste und mit Ausnahme einiger Trial- und Error-Passagen spielt sich Bionic Commado erfrischend neu und hebt sich wohltuend vom Shootereinheitsbrei der letzten Zeit ab.

Das Spielprinzip folgt einfachen Regeln und ist schnell erklärt. Anhand sogenannter Navigationspunkte, die wir von unseren Befehlshabern per Funk mitgeteilt bekommen bahnen wir uns einen Weg durch die verschiedenen Gebiete in und um Ascension City. Diese Punkte markieren unsere einzelnen Ziele die größtenteils darin liegen feindliche Relais und Kommunikationsstationen die überall in der Stadt verteilt sind zu erobern und auf Knopfdruck zu hacken. Das hört sich zwar im ersten Augenblick etwas eintönig an, ist aber überraschend abwechslungsreich ausgefallen. Die Terminals sind auf verschiedenen Ebenen verteilt, meist nicht ganz einfach zu erreichen und äußerst gut bewacht. Manche befinden sich auf Dächern unter den wachsamen Augen einer ganzen Scharfschützen-Armada, andere in der Kanalisation oder hinter einem Minenfeld das natürlich erst ausgeschaltet werden sollte um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Leider gaukelt uns die grandiose Weitsicht auch viel Freiheit vor… Obwohl die einzelnen Bereiche anfangs noch recht weiträumig wirken, werden wir dank unsichtbarer Levelgrenzen und den unzähligen radioaktiv verseuchten Bereichen doch etwas schlauchartig durch die Abschnitte gelotst. Alternative Wege gibt es kaum, zwar liegt die Entscheidung ob wir uns lieber auf den Dächern der Stadt oder auf den Straßen fortbewegen wollen meist bei uns und auch das ein oder andere Extra ist auf Vorsprüngen oder schwer erreichbaren Stellen versteckt, etwas mehr Bewegungsfreiheit wäre aber wünschenswert gewesen.



Zusätzlich zu den Hauptaufgaben gibt es noch kleinere Nebenmissionen mit deren absolvieren wir unsere Fähigkeiten steigern können. So werden die Munitionskapazität aufgebessert, neue Attacken freigeschaltet, der gegnerische Schaden vermindert oder Artworks und Bilder freigeschaltet. Die Nebenaufgaben haben allerdings Achievement-Charakter und wirken etwas aufgesetzt – Töte fünf Gegner mit einer bestimmten Attacke,,, Absolviere drei perfekte Schwünge in Folge,,, Finde alle Symbole in diesem Bereich… Ich denke ihr wisst worauf ich hinaus will!

Neben den Standartgegnern die wir entweder unspektakulär per Bleispritze oder, was wesentlich spaßiger ist, mit unserem bionischen Arm ins virtuelle Nirvana befördern, warten vereinzelt auch verschiedene schwieriger zu knackende Zwischen- und Endbosse. Bei Letzteren hilft das Waffenarsenal bestehend aus Pistole, Schrotflinte, Scharfschützengewehr und Granaten aber nur selten, oft sind schwerere Geschütze nötig um den teilweise riesigen Kreaturen und Stahlkolossen Einhalt zu gebieten. Also wird entweder der Raketenwerfer ausgepackt oder per Greifarm elegant mit Trümmerteilen oder ausrangierten Autos nach den Feinden geworfen. Auch Nathans Stiefel haben es in sich, sie sind verstärkt und zertrümmern während wir aus einem Sprung oder Schwung heraus auf den Boden zurasen per mehrfachen Druck auf die Y-Taste nahezu alles in unmittelbarer Umgebung.



Wie bereits erwähnt ist die Steuerung äußerst präzise ausgefallen und man hat nie das Gefühl die Kontrolle über Nathan zu verlieren. Auch die frei justierbare Kamera macht keinerlei Mätzchen und befindet sich immer im Rücken unseres Protagonisten. Falls wir doch einmal in einen Abgrund oder ins Wasser fallen, was sich vor allem anfangs kaum vermeiden lässt, haben sich die Steuerung und Kameraführung absolut nichts vorzuwerfen. Wasser ist allgemein nicht unbedingt Nathans Element, der bionische Arm ist kein Leichtgewicht und wir sollten schnellstmöglich versuchen uns aus dem „nassen Grab“ zu befreien, bevor wir in die Tiefe gezogen werden. Auch vor feindliche Projektilen, Schlägen und den Elektroprügeln der Terroristen sollten wir uns in Acht nehmen. Wenige Treffer genügen und der freundliche Satz „Sie haben verspielt“ erscheint auf dem Bildschirm. Im Gegensatz zur Munitionsbeschaffung die per aufsammeln erfolgt, brauchen wir uns um die Wiederherstellung unserer Gesundheit kaum Gedanken zu machen. Wie bei vielen Genrekollegen füllt sich die Anzeige nach einer kleinen Verschnaufpause selbstständig wieder auf. Ist es doch einmal zu spät und Nathan segnet das Zeitliche dürfen wir von einem der teilweise doch etwas weit zurückliegenden Checkpoints erneut beginnen.

Der Ruf Capcoms grundsätzlich keine einfachen Spiele auf den Markt zu bringen bestätigt sich einmal mehr. Bionic Commando ist nämlich ganz und gar kein Zuckerschlecken… Während sich der Titel auf dem niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrad zumindest für geübte Spieler noch einigermaßen bequem spielt, steigt der Anspruch bei den höheren Dificulties stark an. Natürlich lässt sich auch einen gewisser Frustfaktor nicht leugnen, dafür entschädigt aber die Befriedigung die sich einstellt wenn man eine schwierige Situation gemeistert oder eine perfekte Serie aus Schwüngen hinter sich gebracht hat. Insgesamt ist Bionic Commando zwar äußerst fordernd, aber niemals unfair.



Optisch macht Bionic Commando eine tolle Figur. Vor allem das zerstörte Ascension City sieht atemberaubend aus und hat mit Häuserschluchten, Industriegebieten, Grünanlagen, dem Hafen und einem unterirdischen Höhlensystem einiges an Abwechslung im Angebot. Hauptakteur Nathan macht ebenfalls eine hervorragende Figur, seine geschmeidigen Animationen sind ein wahrer Augenschmaus und die elegante Turnerei durch die Stadt ist grandios in Szene gesetzt.

Grafikfehler, Ruckler oder Pop Up´s treten praktisch nie auf und auch die teils bildschirmfüllenden Bosskämpfe müssen sich nicht verstecken. Bis auf einige wenige schwächelnde Texturen, vereinzelt starkes Tearing und das etwas langweilige Design der BioReign-Terroristen gibt es im visuellen Bereich absolut nichts zu meckern.



Auch was die Akustik angeht gibt sich der Titel keine Blöße, donnernde Explosionen, knatternde Schüsse, brüllende Feinde und die tolle englische Synchronisation die auf Wunsch mit deutschen Untertiteln versehen wird, hinterlassen einen guten Eindruck. Fehlt nur noch eine Erwähnung des gelungenen Soundtracks, der uns das ganze Spiel hindurch mit einer gesunden Mischung aus rockigen Ohrwürmern und epischen Klängen begleitet.

Ist die unterhaltsame Singleplayer-Kampagne beendet lädt der Online-Mehrspielermodus von Bionic Commando zum gemeinsamen Schwingen ein. Dieser beinhaltetet 12 Karten auf denen sich maximal acht Spieler in den bekannten Death Match- und Capture the Flag-Modi austoben dürfen. Der Multiplayermodus ist zwar ganz nett umgesetzt, bietet aber insgesamt zu wenig um dauerhaft ans Pad zu fesseln.

Harry meint:

Harry

Mit Bionic Commando ist Capcom die Wiederbelebung eines Klassikers mehr als nur gelungen. Der Charme des Originals wurde hervorragend eingefangen und neben einer atemberaubenden Kulisse und Action vom Feinsten sorgt vor allem das äußerst motivierende Gameplay für erstaunlich viel Spielspaß. Mit Ausnahme der etwas zähen Story, den Schlauchlevels und einem etwas mager ausgefallenen Mehrspielermodus gibt es nicht viel auszusetzen und dem äußerst spaßigen Schwingen durch die City steht nichts entgegen. Allerdings sollte erwähnt werden dass Bionic Commando für absolute Neulinge, die sich an das Genre der 3D-Person-Shooter herantasten wollen nur bedingt geeignet ist. Der Schwierigkeitsgrad ist capcom-typisch nicht von schlechten Eltern, bleibt dabei aber immer fair und mit etwas Übung stellt auch die Handhabung des bionischen Arms schon nach kurzer Zeit kein Problem mehr dar.

Positiv

  • Motivierendes Gameplay
  • Tolle Präsentation
  • Viel Action und Spielspaß

Negativ

  • Story nicht wirklich packend
  • Bewegungsfreiheit zum Teil etwas eingeschränkt
  • 0815-Schusswechsel
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Bionic Commando Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1 - 8
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 / 60 Hz
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 19.05.2009
Vermarkter Capcom
Wertung 8
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