Alte Hasen und junge Füchse - wie zwei Retro-Gamer-Generationen ko-existieren (können). im Test

Atari 7800

Vorweg: Ich zähle mich mit einem Alter von über 30 sicherlich zu den »alten Hasen«. Doch ein »alter Hasen« definiert sich nicht nur über das Alter, sondern insbesondere mit der Dauer und der Intensität, in der das Hobby ausgelebt wird. Denn da liegt der Knackpunkt. Viele Leute, die im derzeitigen »Retro-Revival« mitfiebern, hatten als Kind Kontakt mit VCS, C64, NES und Co. Dann wurde das Hobby aber meist über viele Jahre eingemottet und die Interessen lagen woanders. 

Mit steigendem und gesichertem Einkommen und geregelten Lebensverhältnissen erinnert man sich der Jugend und beschließt einmal wieder »die alte Kiste von früher zu holen«. Schnell entsteht eine Leidenschaft mehr anzuschaffen, schließlich ist der Mensch Jäger und Sammler. Ebay ist das Jagdgebiet und der neue »Sammler« fängt an zu jagen und sich den ein oder anderen Titel zu »schießen«. Er ist zwar im Pass ein alter Hase, hingegen mangels Erfahrung, was Raritätsgrade und Preisentwicklung angeht, ein »junger Fuchs«. Entwickelt sich die Begeisterung für alte Games zum Sammelgebiet, zahlt der Neusammler besonders in den letzten Jahren oft Lehrgeld.
 
retro-games-price-increase-chartDie derzeit inflationäre Preisentwicklung liegt jedoch nicht nur an den »alten Hasen«, die schon immer sammeln, sondern auch an jungen Menschen, die die Liebhaberei für sich entdecken, schlicht weil Retro und Nerdtum aktuell trendy sind. Nicht zuletzt Serien wie »Big Bang Theory« prägen den Zeitgeist und befeuern Trends. Nerd sein ist in, Star Wars ist in, Retrogames sind in. So ist es gegenwärtig schick nerdig zu sein, man kann sich zu seinem Hobby »klassische Videospiele« bekennen, ohne die gewohnt schiefen oder missachtenden Blicke zu ernten. Die Passion ist erwachsen geworden, der Sammler stößt plötzlich auf breite Akzeptanz und sogar Interesse seiner Mitmenschen. Das schmeichelt und erfreut ein wenig, schließlich sieht sich niemand wirklich gerne in der Ecke des Schmuddelkindes, welche »Kinderkram« sammelt. Und es ist ja auch schön abseits von Webforen über sein Hobby reden zu können. So floriert derzeit in unserem Lande die Begeisterung »Retro-Spiele«. Immer mehr Zockertreffen werden ins Leben gerufen, Retrobörsen organisiert, Videospielmuseen eröffnet und sogar das Fernsehen widmet sich den ehemaligen »Killerspielspielern« halbwegs differenzierte Berichterstattung.
 
Also alles schön und dufte an der Retrofront? Sollte man meinen. Doch mit der breiten Akzeptanz und der Menge an Einsteigern und Greenhorns, ja sogar Menschen, die schlicht den Trend leben, bekommt es der »alte Hase« nun auch mit Personen zu tun, die nicht sein Backgroundwissen oder eine vergleichbare Sammlung besitzen. Ein aktuelles Beispiel ist dabei die Facebook-Gruppe »Retrobörse für klassische Videpspiele«. Mit der geballten Kraft der viralen Verbreitungsmöglichkeiten des Social Networks erfreut sich die Gruppe stetem Wachstum. Dort wird munter fröhlich über alles rund um Retro gequatscht, jedoch meist nicht auf einem wünschenswert wissenvertiefendem Niveau wie es der »alte Hase« aus Webforen und Treffen gewohnt ist. Das liegt nun zum einen an der Schnelllebigkeit der Plattform, als auch an der Nutzerschaft, welche zum großen Teil aus Fans besteht, die nicht fundiertes Retrowissen über 3 Dekaden angehäuft hat. Das führt zum Teil auch zu Spannungen zwischen den Gruppen. Dies soll keine soziologische Abhandlung werden, welche Ursache und Wirkungsprinzipien analysiert, jedoch ist es spannend zu beobachten, wie sich einige alte Hasen mit den neuen »Kollegen« schwer tun.
 
IMG_1784Woran mag das liegen, schließlich erfreut sich das Hobby ja nun einer größeren Beliebtheit, so dass sogar aktuelle Entwickler und Publisher Remakes alter Klassiker veröffentlichen und die Retrofans hofieren. Das mag zum Einen daran liegen, dass der jahrelange Sammler genervt ist von der derzeitigen Wertinflation, die ihn davon abhält die Sammlung zu erweitern. Erinnerung an eine klassische Spekulationsblase an der Börse werden hier geweckt, welche unweigerlich zu platzen droht. Zum Anderen mag der Veteran seine exklusive soziale Situation bedroht sehen. Er ist nicht mehr der wundersame Exot im eigenen Umfeld, als den er sich selbst gerne sieht, plötzlich sammelt »Hinz und Kunz« Spiele für Plattformen, welche früher von diesen Personen höchstens als Türstopper genutzt wurden. Nun sieht sich der langjährige Sammler konfrontiert mit »gefährlichem Halbwissen«, hohen Preisen in Foren und bei eBay sowie der Verwässerung eines ehemaligen exklusiven Zirkels an Liebhabern. Man mag sich an die Hypephasen des Telefonkarten- oder Ü-Ei-Sammelns erinnern, welche binnen weniger Jahre ebenfalls abflauten und den Sammlermarkt kollabieren ließen.
 
Doch was tun? Wie dieser Phase begegnen? Schlussendlich ist es doch eine Frage der Besonnenheit. Neue Sammler und Fans begrüßen, das eigene Wissen teilen, der Preisinflation begegnen, indem man Einsteiger aufklärt und preistreibende Händler kollektiv mit Missachten straft. Sich schmollend in die eigene Ecke zurückziehen, oder gar Konfrontation zu suchen bringt erfahrungsgemäß nichts. Wer sich eine Ausdünnung und damit Gesundung des Marktes wünscht, der sollte vielleicht auf die zyklische Wirkung von Trends bauen, denn diese gehen aus Erfahrung so schnell wieder wie sie kamen. Und mit Ihnen die Leute, die sich nur phasenweise für unser liebstes Hobby begeistern können. Vielleicht hilft es auch, sich innerhalb des Hobbys zu spezialisieren, sich exklusive Nischen zu suchen. Statt derzeit die Super Nintendo und Mega Man Sammlung auszubauen, bietet es sich augenblicklich eher an echte 8 Bit Klassiker der frühen 80er zu sammeln, oder sich auf Exoten vom Schlage eines Game.Com, 3DO oder auch Atari Homecomputer zu verlegen. Diese Sammlungsgebiete sind von der »breiten Masse« noch weitestgehend verschont und bieten Interessantes zum Sammeln und Entdecken.
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