Wasteland 2 im Test

Interplay war neben Origin und Electronic Arts in den 80ern die Spieleschmiede für hochkarätige Rollenspiele und mit Wasteland gelang Designer Brian Fargo der große Wurf. In einer Zeit, als RPGs meist in einer Fantasy oder Science Fiction Welt spielten, war das Endzeitrollenspiel ein gelungener Tapetenwechsel. Trotz bekannter Spielmechanik konnte der Titel seinerzeit mit enormer Atmosphäre und einer guten Portion Humor punkten und schaffte sich so viele Fans. Das Besondere daran war aber, dass Problemstellungen auf verschiedene Arten gelöst werden konnten und so die Kreativität der Spieler erforderte. Damals erschien Wasteland noch unter dem EA-Label, bevor das Entwicklerstudio seine eigenen Spiele veröffentlichte.

Kickstarter war die Plattform, die einige Designer zu frischen, kreativen Ideen antrieb, da viele durch das moderne Business eher abgeschreckt waren, sich einem Softwarehaus zu verpflichten. So fand – abgesehen von Chris Roberts – eben auch Brian Fargo zu einem neuen Projekt und dieses hieß Wasteland 2, dem Nachfolger des erfolgreichen Erstlings. Die Kampagne zeigte, dass die Fans ebenfalls noch immer Gefallen an der Franchise hätten und so kam gleich das Dreifache der erhofften Summe für die Entwickler in den Pott. Neben der digitalen Version wurde jetzt sogar eine Retailfassung von Koch Media veröffentlicht, die entweder als Standardedition im DVD Case oder als Ranger Edition zusammen mit gedrucktem Handbuch, einer Karte und dem Soundtrack auf CD daherkommt. Wie in den guten, alten Zeiten.

Genau wie in den vergangenen Tagen beginnen wir das Spiel mit der Charaktergenerierung, die sich erfreulich einfach und genauso tiefgründig gestaltet. Es dürfen Punkte in Attribute und Fähigkeiten investiert werden, die für den weiteren Spielverlauf von Bedeutung sind, und natürlich hat man davon zu Anfang gefühlt zu wenige. Neben Charaktereigenschaften wie Konstitution, Intelligenz und Stärke spendiert man seiner Truppe Fertigkeiten wie Computerwissenschaften, Schlösser knacken oder eine Sanitäterausbildung. Auch findet man Eigenschaften vor, die in Gesprächen wichtig sind. Wie etwa Klugscheißen oder Schleimen, die in den Dialogen manch zusätzliches Mittel zur Konversation bieten. Großartig finde ich die Möglichkeit, dem erstellten Charakter eine Hintergrundgeschichte zu verpassen und diese im Charakterbogen zu verewigen. Das schafft insgesamt mehr Tiefgang und eine größere Bindung zum Alter Ego. Wer keine Lust auf die Generierung hat, kann auch vorgefertigte Figuren aus einem Pool wählen und seine Truppe aus vier Leuten zusammenstellen.

Die eigentliche Geschichte beginnt mit einem traurigen Ereignis. Man selbst ist Teil der Desert Rangers und ein Mitglied des Trupps wurde während eines Einsatzes getötet und ein anderer wird vermisst. Als Frischlinge erhält man von Captain Vargas den Auftrag, zu einem Funkturm zu reisen und die Mission des verschollenen Kumpans zu vollenden sowie ihn nach Möglichkeit aufzuspüren. Nachdem man sich mit der nötigen Ausrüstung eingedeckt hat, machen wir uns auf den Weg und finden am betreffenden Ort nur den Stern des Rangers und einige Blutspuren. Also erkunden wir das Gebiet auf eigene Faust und sehen uns um. Das Spiel gibt zwar grob die Marschrichtung vor, doch anhand der Ereignisse bleibt uns selbst überlassen, wie wir die Geschichte erleben wollen. Sie wird geprägt von unseren Entscheidungen, was wir bereits nach kurzer Zeit zu spüren bekommen.

Nachdem wir den ersten Auftrag abgeschlossen haben, kommt ein Hilferuf herein. Ein Agrarzentrum, in dem eine robuste Flora für eine mögliche Vegetation des Ödlands erforscht wird, hat Probleme und erbittet um Hilfe. Auf dem Weg dorthin erhaltet ihr einen weiteren Notruf aus Highpool, die von Banditen angegriffen wird. Nun werdet ihr vor die Entscheidung gestellt zu wählen, wem ihr zuerst helfen wollt. Ich reise dennoch zum Forschungslabor, bin ich doch schon fast vor der Haustür. Noch während meines Aufenthalts dort kommen zusätzliche Funksprüche herein, die mich dran erinnern, mich zu beeilen. Jedoch kommt jede Hilfe zu spät. Ich habe zwar die Menschen im Labor gerettet, allerdings wurde Highpool dem Erdboden gleichgemacht. Das sind die Situationen, in denen man daran erinnert wird, dass man kein Superheld ist, der die ganze Welt retten kann, und seine Entscheidung weise überdenken sollte. Aus spielerischer Sicht bietet Wasteland 2 so enormen Wiederspielwert, da man beim ersten Durchgang sicherlich nicht alles sieht.

Während das Gameplay in Echtzeit abläuft, sind die Kämpfe klassisch taktisch und rundenbasiert. Aufgrund der Initiative eines jeden Individuums wird die Reihenfolge im Gefecht zusammengestellt und man befehligt seine Truppe. Dies geschieht traditionell mit der Maus, wobei man über Tastaturkommandos und Icons spezielle Befehle wie in die Hocke gehen oder Waffe neu laden ausführen kann. Man muss aber im Hinterkopf behalten, dass sämtliche Handlungen Aktionspunkte kosten und pro Figur nur begrenzt zur Verfügung stehen. Sollte man nicht alle verwenden wollen, können diese zum Teil für die nächste Runde aufgespart werden, die sich in manchen Situationen als lebensrettend erweisen. Ebenso ist es wichtig, wo man sich vor einem Schuss positioniert, da es gut sein kann, dass man beim Verfehlen des eigentlichen Zieles seinen Kumpan damit trifft und im schlimmsten Fall sogar tötet. Diese können jedoch selbst im Kampf mit dem Sanitäterskill verarztet werden, was aber Zeit kostet. Hier zeigt sich das Ödland mit seiner Flora und Fauna unerbittlich.
 

Kenner des Originals dürften sich in Wasteland 2 wie zu Hause fühlen, da auch hier die Herangehensweise an Problemen einem selbst überlassen wird. Versucht ihr das elektronische Schloss des Safes mittels Hacking zu öffnen oder wollt ihr es mit einer Granate aufsprengen? Versuchen könnt ihr viel, ob es zum Erfolg führt, hängt oft von den Fertigkeiten der Gruppe ab. So werdet ihr im zweiten Durchlauf sicherlich einige Skills anders verteilen, als ihr es noch beim ersten Mal getan habt. Seid ihr deswegen betrübt? Nein! Wasteland 2 ist so motivierend, dass man selbst Bock auf einen dritten oder vierten Durchgang hat. Allein die Soundkulisse mit den Effekten und der Hintergrundmusik erzeugt so viel Atmosphäre und unterstützt den teils düsteren Endzeitstil des Games. Hervorzuheben ist auch die Introsequenz, die mit realen Schauspielern gedreht wurde und das Ambiente der rauen Lande großartig einfängt.