So beginnt Get Even, der beklemmende Genremix des polnischen Entwicklerteams The Farm 51. Cole Black hat keinerlei Erinnerungen an die Vergangenheit. Angewiesen auf sein Smartphone, welches als zoombare Karte, Wärmebildkamera, Umgebungsscanner und/oder Missionsverwaltung dient, schleicht, kämpft und rätselt man sich fortan als gedächtnislose Marionette durch diverse Schauplätze und Traumsequenzen. Dort gilt es Fotos, Notizen und sonstige Dinge aufzuspüren, die unsere Geschichte nach und nach entwirren. Ein mysteriöser Unbekannter namens »Red«, der sporadisch, nahezu unkenntlich und mit verzerrter Stimme auftaucht, begleitet Black mit jovialen Hinweisen und Befehlen auf seinem düsteren Abenteuer.
Die Frage nach dem „warum“ ist dabei allgegenwärtig und zieht sich über die gesamte Spieldauer. Ebenfalls unklar bleibt zu weiten Teilen, welcher Teil der dunklen Gänge und Passagen real ist, oder was sich allein in Cole Blacks Psyche abspielt. Plötzlich verschwinden Türen, ganze Umgebungen verwandeln sich in Pixelpartikel oder Gegenstände tauchen an Stellen auf, an denen sie beim vorherigen Hinsehen definitiv noch nicht waren.
Quer durch die diversen Areale patrouillieren maskierte Wachen, die sofort das Feuer eröffnen, sobald Black als Eindringling entdeckt wird. Wer schleicht, kommt hierbei weiter: »Red« erklärt während Feuergefechten eindringlich, dass es nicht ratsam sei, Feinde zu töten, da dieses Vorgehen negative Auswirkungen auf die Inhalte späterer Erinnerungen hätte. Gerade diese Vorgabe ist allerdings unglücklich, immerhin verkommt damit das eingangs erwähnte, eckenignorierende Supergewehr bis kurz vor Schluss zum Statisten. Schade.
Get Even balanciert teilweise gekonnt zwischen Stealth-Elementen, subtilem Horror, Puzzle- und Detektiv-Einlagen, sowie bedrückenden Entdeckungstouren. Im späteren Verlauf verkommen das ewige Suchen nach versteckten, storyrelevanten Hinweis(ch)en, die abwechslungslosen Gegner und das Durchstreifen immer gleich dunkler Gänge jedoch zunehmend zur »Arbeit«.
Grafisch reicht die Bandbreite von schönen Außenarealen sowie großartig beleuchteten Räumen und Albtraumsequenzen, bis zu erschreckend einfallslosen, trist texturierten dunklen Schlauchpassagen.
Großes Lob verdient die Soundkulisse: von atmosphärischen, dem Geschehen angepassten Musikstücken, über verstörende Soundeffekte (ganz ehrlich: dieses lauter werdende, brummende Störgeräusch in der Anstalt verfolgte mich nachts) bis hin zu den grandiosen Sprechern muss Get Even ohne Zweifel als herausragend bezeichnet werden! Sprachausgabe erfolgt übrigens ausschließlich in Englisch, optional lassen sich jederzeit deutsche Untertitel einblenden.
Abschließend macht Get Even mehr richtig als falsch. Viele Wendungen und dramatisch inszenierte Momente sorgen für ausreichend Motivation, der Story immer weiter zu folgen. Gern hätte man sich aber ein paar weniger Zutaten bedienen können. Was bleibt ist ein Spiel, welches mit verstörendem Einstieg, durchgehend erstklassiger Vertonung und grundsätzlich guter Storygrundlage an den Start geht, jedoch durch undurchdachte Design-Entscheidungen, schwankende Technik und viel zu viele, ungeordnete Genre-Bausteine entzaubert wird. Ein noch empfehlenswertes, jedoch leider nur durchwachsenes Abenteuer.
Am Ende muss sich The Firm 51 die große Frage des Spiels also auch selbst stellen lassen: Was ist passiert? Und vor allem: Warum?